Neues Live-Album am FreitagSo klingt die „Zeitreise“ von BAP im Sartory

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Wolfgang Niedecken (M) steht mit Anne de Wolff (l) und Sönke Reich (r) auf der Bühne.

Wolfgang Niedecken (M.) steht mit Anne de Wolff (l.) und Sönke Reich (r.) auf der Bühne im "Sartory"

31 Stücke der frühen Erfolgsalben enthält die Veröffentlichung, die am Freitag erscheint. Am Samstag ist das Konzert im WDR zu sehen. 

Die Setlist ist mit Bedacht gewählt. Ein sanftes Trompeten-Solo eröffnet „Koot für Aach“ das erste Stück auf Wolfgang Niedeckens Live-Album aus dem „Sartory“. Es ist ein stiller Song über das Unbehagen vor dem Rampenlicht und der großen Bühne. „Mir weed flau, ich beneide dä Basstyp, dä jlisch em Halvdunkel links hinger mir steht“, singt der 73-Jährige. Applaus brandet auf im Saal.

„Zeitreise 81/82“ ist der Titel des Albums, das am Freitag erscheint. 31 Stücke finden sich darauf, im Begleittext sind sie als „Nukleus eines der zentralen Werke der deutschen Rockmusik bezeichnet“. Wow. So einen Satz hätten sich der junge Student Niedecken und sein Freund Schmal Boecker damals in der Teutoburger Straße nicht träumen lassen. Versammelt sind Stücke der beiden Erfolgsalben „Für usszeschnigge“ und „Vun drinne noh drusse“. Nicht nur im Eröffnungsstück beschwört der Sänger, unangepasst „undressiert“ bleiben zu wollen, nicht den Kompass zu verlieren. Und natürlich ist das immer im Leben eine spannende Frage: Was ist geblieben von den eigenen Idealen? Was bleibt überhaupt?

Niedecken hat eingeräumt, dass die „Zeitreise“ auch für ihn persönlich ein sentimentaler Blick in die Vergangenheit ist. Das Live-Album ist zusammengestellt aus Aufnahmen von allen vier Abenden im „Sartory“, die meisten stammen vom dritten Auftritt. Zu hören ist eine intime Atmosphäre, eher wie in einem Club und ein Publikum, das jede Zeile des Werks verinnerlicht hat. Die Songs hat der Sänger liebevoll aufgefrischt, aber nicht einem Neuarrangement unterzogen. Mit der Sorge, dass der Liedermacher ihnen die Erinnerung entreißen könnte, waren offenbar viele Besucher gekommen. Den Fehler hat Niedecken nicht gemacht, wohl aber neue Akzente gesetzt.

Schunkeln im Sartory. Dass ich das noch erleben darf.
Wolfgang Niedecken

Der „Wellenreiter“ etwa kommt durch die Bläser, die wie bei den vergangenen Tourneen dabei sind, deutlich vitaler daher. „Hundertmohl“ ist eine echte Rarität im Live-Modus und dürfte auch für eingefleischte BAP-Anhänger eine Entdeckung sein. Und beim ersten Teil des Anti-Fastelovend-Evergreens „Nit für Kooche“ findet Niedecken (mit Narrenkappe) sichtlich Gefallen daran, den Saal in Schwung zu bringen: Schunkeln zu BAP im Sartory! „Dass ich das noch erleben darf“, sagt der Kölschrocker — um mit „Ahn ner Leiptlank“ wieder ins sentimentale Fach zu wechseln. Der Musiker hat einige frühe Statements neu eingeordnet. Der Groll gegen die Karnevalisten ist längst gewichen, überhaupt ist er nun milde gestimmt, was das lokale Brauchtum angeht. Und Frieden schaffen ohne Waffen? Das war ein schöner Traum, erklärte er im Rundschau-Interview.

Der Klassiker „Südstadt, verzäll nix“ klingt auch heute in jeder Zeile stimmig, nur dass die Quadratmeterpreise längst fern von gute und böse liegen. Respektvoll präsentiert kommen die ganz großen Erfolge wie „Kristallnaach“ und „Verdamp lang her“ daher. Der Hörer darf sich zurückversetzt fühlen, wie er mal mit dem klapprigen R4 mit Friedenstaubensticker auf dem Heck zu irgendeiner Festhalle ganz weit draußen gefahren ist. Niedeckens Stimme hat an Timbre gewonnen, und weil er die Stücke kontrolliert vorträgt, steht sie auch nach all den Jahren stabil. Über „Verdamp lang her“ berichtet er zur Veröffentlichung: „Den Song hätten wir um ein Haar nicht aufgenommen.“ Bei den Proben sei er immer wieder nach hinten gerutscht. Der Refrain sei am Ende „aus der Not“ geboren worden. Das klingt 40 Jahre später im „Sartory“ ganz anders.


Rockpalast und Tour

90 Minuten dauert die Live-Aufnahme, die der WDR im „Rockpalast“ an diesem Samstag ab 20.15 Uhr ausstrahlen wird. Sie ist auch in der Mediathek zu finden.

Die 31 Stücke des Live-Albums stammen von den beiden Erfolgsalben der frühen 80er Jahre und sind ergänzt um „Affjetaut“-Klassiker wie „Ne schöne Jrooß“ und Songs aus dem Live-Album „Bess demnähx“. Im November startet Niedecken mit BAP zur deutschlandweiten Tour.

Nach einem Aufwärmgig im Schwarzwald startet die Reihe am 2. November in Augsburg. Zum Abschluss sind in Köln zwei weitere Auftritte geplant: Am 12. und 13. Dezember in der Lanxess-Arena.

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