„Haut ab“ in BerlinThema Beschneidung kommt ins Museum

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Ein Mann dokumentiert im Jüdischen Museum in Berlin Exponate der Sonderausstellung "Haut ab! Haltungen zur rituellen Beschneidung".

Ein Mann dokumentiert im Jüdischen Museum in Berlin Exponate der Sonderausstellung "Haut ab! Haltungen zur rituellen Beschneidung".

Berlin – Nur ein harmloser Schnitt oder doch Körperverletzung? Wochenlang debattierte Deutschland im Sommer 2012 über die rituelle Beschneidung von kleinen Jungen. Erst ein Gesetz schuf Klarheit - und erlaubte weiterhin einen Brauch, der zum religiösen Selbstverständnis von Juden und Muslimen gehört. „Haut ab!“ - unter diesem Namen will nun das Jüdische Museum Berlin dem Jahrtausende alten Ritual mit einer Ausstellung auf den Grund gehen.

In die Kritik an der Beschneidung mischen sich immer wieder antisemitische und anti-islamische Vorurteile, wie Museumsdirektorin Cilly Kugelmann sagte. Das Museum will die Debatte allerdings nicht weiterführen. Vielmehr soll die Schau am Beispiel von religiösen Objekten, Dokumenten und Filmen dazu beitragen, dass über dieses Thema ohne Ressentiments gesprochen wird. Letztendlich gehe es um die Frage, wie eine Gesellschaft, die sich als pluralistisch versteht, mit kulturellen Differenzen umgeht.

Was die Schau nicht beabsichtigt, macht Kugelmann auch klar: Weder geht es um die Beschneidung junger Mädchen, die mit dem Eingriff bei den Jungen nichts gemeinsam habe, noch wolle sie prüfen, ob die Zirkumzision praktischen Nutzen habe, etwa zur Vorbeugung von Geschlechtskrankheiten, wie immer wieder behauptet wird.

Während die „Brit Mila“ bei den Juden am achten Tag nach der Geburt vollzogen wird, kann „Hitan“ (arabisch) oder „Sünnet“ (türkisch) bei den Muslimen bis zum späten Kindesalter vollzogen werden. Bei den Juden begründet der Schnitt die unauslöschliche Beziehung zu Gott und zum Judentum, im Islam ist sie auch ein Ritual beim Eintritt in die Pubertät.

Schon zu Beginn der Ausstellung wird auf einer Weltkarte deutlich, dass die Beschneidung weit verbreitet ist. Rund 30 Prozent der Männer leben ohne Vorhaut, neben den islamischen Ländern in Asien und Afrika auch im christlich geprägten USA. „Auf Messers Schneide“ - auf einem großen Podest mit der Form einer Klinge präsentiert die Ausstellung Menschengestalten verschiedener Kulturen: Ob bei den alten Ägyptern, den australischen Aborigines oder dem modernen Menschen - Körpereingriffe gehörten seit eh und je zur Tradition, wie Kuratorin Felicitas Heimann-Jelinek sagt. Eine männliche Figur aus dem klassischen Griechenland mit einem vollständigen Penis zeigt, das sich dieses Schönheitsideal in Europa bis zur Gegenwart erhalten hat.

Besonders problematisch ist das Thema für das Christentum. Wie konnte der als Jude geborene Jesus Christus am achten Tag beschnitten und dann zum (unbeschnittenen) Erlöser werden? Diese Frage beschäftigt die Kirchen bis heute, wie der Theologe Thomas Lentes (Münster) im Katalog schreibt. Bis ins 20. Jahrhundert wurde Jesus' Vorhaut als Reliquie angebetet, später verdrängten die Päpste den Konflikt. Das „Fest der Beschneidung“ am 1. Januar ist noch immer ein Feiertag.

Noch auf einem Altarbild, das Peter Paul Rubens im 16. Jahrhundert für die Jesuiten malte, wird Jesus' Beschneidung als Beginn des Erlösungswerks dargestellt. Doch wie die Ausstellung auch zeigt, wurde in der antijüdischen Tradition der Kirche die Beschneidung Christi auch als erste Station des Leidenswegs dargestellt. Dieses Bildes der Juden als blutrünstig bedienten sich auch die Nazis.

Weniger Probleme mit der Beschneidung haben dagegen die Anarcho-Jungs der US-Serie „South Park“. Im „Resonanzraum“, wo das Thema mit Beispielen aus Film und TV beleuchtet wird, flimmern sie über den Monitor. Wenn durch den kleinen Eingriff der „Feuerwehrmann“ größer erscheint, hätten sie gegen die „Bris“ nichts einzuwenden.

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