WunderkammernSammlung Olbricht und MAKK im Perfect Match

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Sammler Thomas Olbricht vor einer Armada Trinkgefäße in Schiffsform.

Sammler Thomas Olbricht vor einer Armada Trinkgefäße in Schiffsform.

Der Sammler Thomas Olbricht und das Museum für Angewandte Kunst Köln zeigen 68 Werke der Kunst- und Wunderkammern. 

Feiern will gelernt sein. Denn wie trinkt man aus einem Glas, dessen Fuß so fein in Form einer Windmühle verziert ist, dass man es gar nicht absetzen kann? Das war aber auch gar nicht gewollt.

Fragile Objekte

Die sogenannten Scherzgefäße dürften an so mancher fürstlichen Tafel viel Freude und manchen Kopfschmerz bereitet haben. Solche „Sturzbecher“ musste man nämlich auf einen Rutsch leeren. Wein — was sonst — war der Inhalt, und der sollte weg sein, solange sich die Flügelräder der kleinen Windmühle drehten. Gelang das nicht, ging es mit vollem Glas wieder von vorne los.

Kleinode aus Bernstein und Rinderbein Viele der fragilen Objekte dürften beim Trinkspiel zu Bruch gegangen sein. Von daher ist es eine echte Rarität, die der Kunstsammler Thomas Olbricht nun dem Museum für Angewandte Kunst Köln (MAKK) für die Ausstellung „Perfect Match“ zur Verfügung stellte. Zu gleichen Teilen suchte der Sammler aus seiner eigenen Kunst- und Wunderkammer und den Objekten des MAKK 68 hochkarätige Kunstwerke aus Materialien wie Bernstein, Elfenbein, Koralle, Silber, Gold, Muschel oder Rinderbein.

Sie stehen im Kontext von sieben Themen, die Aspekte wie Spiel, Naturnähe und zuletzt die Nichtigkeit und das Vergängliche des Lebens aufgreifen. „Kunst- und Wunderkammern waren die Vorläufer unserer heutigen Museen“, erklärt MAKK-Direktorin Petra Hesse. Ferdinand Franz Wallraf kannte noch diese damals übliche Präsentationsform. Teile seiner Sammlung sind nun ebenfalls ausgestellt, wie ein Salzgefäß aus Glas und eine Schale aus Lapislazuli.

In der Barock- und Renaissancezeit waren die Kammern Orte der Repräsentation: Es dürfte eine Mischung aus Prahlen, Prestige, aber auch humanistischen Sendungsbewusstsein gewesen sein, die dazu führte, dass man Raritäten sammelte, die Ästhetik, Kunstfertigkeit und Originalität auf gekonnte Weise verbanden. Thomas Olbricht wiederum ist fasziniert von der Haptik, dem Begreifbaren, welche die Drechselarbeiten, Schnitzereien oder Arbeiten der Steinschneider noch heute vermitteln.

Fetzentödlein

„Die Kunstwerke entstanden vor 400 oder 500 Jahren, damals glaubte man noch an Himmel und Hölle. Ich sehe mir die Dinge aus der Sicht der damaligen Menschen an.“ Seine Sorge gehe dahin, dass das Gespür für solche Kostbarkeiten jüngeren Generationen gerade verloren gehen könnte. Deswegen wolle er sie zeigen. Sogar eines seiner Lieblingsstücke, ein Fetzentödlein aus Buchsbaum aus dem 17. Jahrhundert, ist darunter: eine Darstellung des Todes als Skelett, von dem sich verwesende Haut abschält. Der Arzt, Chemiker und Kunstmäzen, der unter anderem Bilder des Kölner Malers Gerhard Richter sammelt und ausstellt, gehört zu den Erben des Familienunternehmens „Wella“ und war nach eigener Aussage schon als Vierjähriger von der Sammelwut gepackt: „Ich liebe heute noch Briefmarken“, gestand er.

Derzeit fokussiere er sich auf die weltweit ersten Postwertzeichen überhaupt. Sie sollten idealerweise noch auf einem Briefumschlag kleben, der wiederum seinen ästhetischen Vorstellungen entspricht. Der gängige Titel „Perfect Match“, erklärte Hesse, ziele auf das Zusammenspiel der beiden unterschiedlichen, aber zueinander passenden Sammlungen ab – und ein bisschen auch auf die Zeit der Fußball-EM in Köln. „Womöglich machte es die Zielgruppe neugierig. Wir freuen uns, wenn die EM beginnt.“ Zumindest Brettspiele sind auch in den Vitrinen ausgestellt, wobei sie so raffiniert gearbeitet und mit Ornamenten versehen sind, dass der Spieler schon eher am Zug eines „Welttheaters“ sitzt.

Beliebte Materialien waren Elfenbein, Koralle, Turboschnecke oder Kokosnuss. Letztere wurde im „Humboldt-Pokal“ Mitte des 17. Jahrhunderts von Johann Moritz von Nassau-Siegen (1604 – 1679) in Auftrag gegeben. Ein Unternehmer, der sich in Niederländisch -Brasilien auf den Zuckerrohranbau mit Hilfe versklavter afrikanischer Menschen konzentrierte und Expeditionen von Künstlern und Wissenschaftlern organisierte. Ende des 18. Jahrhunderts gelangte der Pokal in Besitz von Alexander von Humboldt.

Kritik an Kölner Baustelle

Manches Stück ist aus heutiger Sicht umstritten, da es — wie auf dem Pokal — stigmatisierende Motive der Bevölkerung als „Kannibalen“ zeigt. „Wir müssen uns des eurozentristischen und kolonialen Denkens bewusst sein“, sagt Hesse. Für Georg Laue, der in München eine Kunstkammer betreibt, und für Olbricht in den letzten 25 Jahren zum Freund und Kurator geworden ist, steht fest, dass die Herkunft jedes Werks genau dokumentiert und aufgezeigt wird. So auch beim Pokal aus Rhinozeroshorn aus dem 17. Jahrhundert des Nürnberger Meisters Esiaias zur Linden .

Es ist einmal wegen des menschlichen Raubbaus am tierischen Produkt zweifelhaft. Aber auch die Provenienz gibt zu denken. Das prächtig verzierte Stück gelangte 1909 aus dem Besitz der Adelsfamilie Hatzfeld in die Sammlung von Eugen Gutmann, Sohn des jüdischen Bankiers und Dresdner-Bank-Gründers Fritz Gutmann. In der Zeit des Nationalsozialismus wurde es an die Sammlung der Familie Thyssen-Bornemisza gegeben. Die Nachfahren leben heute in Beverly Hills. Der Pokal wurde restituiert, Olbricht erwarb ihn und erhielt einen Brief der Goodmans aus Kalifornien. Es sei „nun in guten Händen“, schrieben sie ihm. „Das ist für mich die Essenz des Sammelns“, sagte der Mäzen.

Zum Schluss sprach er eine kleine Moralpredigt: „Ich kenne das MAKK gut. Die Direktorin ist überaus engagiert. Doch schon seit 2018 sind hier viele Räume geschlossen. Die Container vor dem Eingang sind eine Schande, dort sollten besser die Stühle eines Cafés stehen. Was will man mit einem Museum erreichen, wenn man solch eine Blockade aufbaut?“

In der Reihe „Ausgewählt“ zeigt das MAKK in loser Folge ungewohnte Einblicke in seine Historischen Sammlungen. „Perfect Match. Ausgewählte Kunstkammerobjekte der Sammlung Olbricht und des MAKK“ ist die zweite Ausstellung des Formats.

Bis 22. September, Di bis So 10 – 18 Uhr, An der Rechtsschule 1

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