„Bilder im Kopf, Körper im Raum“Bonner Kunsthalle widmet sich Stoffkünstler Franz Erhard Walther

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Bundeskunsthalle Bonn

Gut betucht: Stoff ist Franz Walther Erhards Lieblingsmaterial.

Zu seinem 85. Geburtstag im Juli widmet die Bonner Bundeskunsthalle dem Künstler Franz Erhard Walther eine große Ausstellung.

Die große Ausstellungshalle der Bundeskunsthalle macht ihrem Namen alle Ehre. Beim Betreten öffnet sich der Blick, wird nach oben gezogen, bleibt an Objekten mit intensiver Farbigkeit hängen und man spürt schon auf den ersten Metern, dass man tief Luft holen und sich auf diese Ausstellung einlassen möchte.

Franz Erhard Walther wird im Juli 85 Jahre alt und wirkt im Pressegespräch sehr zufrieden über seine Überblicksausstellung, deren Aufbau er zum ersten Mal nicht selbst verantwortet hat. Fantastisch ist das den Kuratorinnen Susanne Kleine von der Bundeskunsthalle und Susanne Walther, die am Wohnort des Künstlers in Fulda die Franz Erhard Walther Foundation leitet, gelungen.

Ich wollte die Handlung ins Zentrum der Werkbildung stellen und brauchte dafür ein Material und eine Technik, die kunsthistorisch unbelastet sind.
Franz Walther Erhard

Der Titel „Bilder im Kopf, Körper im Raum“ verspricht ein Kunsterlebnis, in dem Imagination, das konkrete körperlich-sinnliche Erleben und gedankliche Komplexität zusammenkommen und zusammengehören. Walther erzählt, wie er 1963, damals als Student an der Kunstakademie Düsseldorf, den Stoff als künstlerisches Material für sich entdeckt. „Ich wollte die Handlung ins Zentrum der Werkbildung stellen und brauchte dafür ein Material und eine Technik, die kunsthistorisch unbelastet sind.“

In der Schneiderei der Familie von Johanna Frieß – die er 1964 heiratet und die seither alle Stoffarbeiten von ihm näht – begegnet er dem Stoff als Material und der Naht als Technik.

Walther bricht mit der traditionellen Vorstellung des Kunstwerks und entwickelt in den 1960er Jahren den „ersten Werksatz“ aus 58 aktivierbaren Elementen, ein Schlüsselwerk, das auch in der Ausstellung zu sehen ist. Skulptur wird hier neu definiert, zum Beispiel im Werkstück #42 – Vier Körpergewichte“.

Ein Mantel mit Stahlplatten

Zur Aktivierung der Skulptur steigen vier Personen in die Schlaufen einer Stoffbahn und gehen langsam zurück, bis sich ein Quadrat ergibt. Dafür müssen die Personen ihrer Bewegungen und Gewichtsverlagerungen aufeinander ausrichten.

Eine andere Arbeit aus dieser Zeit ist das „Mantel-Stahlstück“, für die ein übergroßer Mantel mit Stahlplatten beschwert wird. Die Person, die den Mantel trägt, entledigt sich nach und aller Gewichte und befreit sich symbolisch von ihren Beschränkungen. Zu diesem wie auch zu anderen Werken gibt es zum Teil historische und aktuelle Videoaufzeichnungen in der Ausstellung zu sehen.

Aber nicht alle Arbeiten von Walther sind aktivierbar. „40 Sockel“ ist eine Installation aus 148 grünen Einzelbahnen, die an die Wand gelehnt sind. Die Elemente beziehen sich zwar auf Walthers Körpergröße (1,80 Meter), ihre Aktivierung findet jedoch ausschließlich in der Vorstellung statt.

Auch die großen „Wandformationen“, die im oberen Bereich der Halle angebracht sind, bleiben bewegungslos ihrer abstrakten Objekthaftigkeit treu.

Publikum kann selber aktiv werden

Perspektivwechsel gehören zum Erleben von Walthers Arbeiten dazu, und für diese Veränderung der Sichtweise stehen in der Ausstellungshalle zwei Einbauten zur Verfügung, über die der Besucher eine andere Position im Raum einnehmen kann. Das rückt die Wandobjekte unter der Decke näher und bietet zugleich die Aussicht von oben auf die „Aktivierungsfläche“ im Zentrum der Ausstellung.

Hier darf der Besucher mit seinen Handlungen selbst zur Waltherschen Skulptur werden. 24 unterschiedliche Ausstellungskopien vom „Ersten Werksatz“ und von „Handlungsbahnen“ können in die Hand genommen, angezogen oder übergestülpt werden, einfache Handlungsanweisungen zu jedem Stück liegen bereit.

Werke haben ihre Frische behalten

Das, was die Kunst von Walther ausmacht, wird zur individuellen Realität, denn die Arbeiten selbst kommen ohne Geschichte. In der Aktivierung schaffen die Ausführenden ihre eigenen Erzählungen, in der Werk, Körper und Raum zur Einheit werden. Erstaunlich – oder auch nicht – bleibt die Aktualität des Werkes von Franz Erhard Walther.

Die performativen, partizipativen und konzeptionellen Elemente haben eine Frische behalten, die sich auf Anhieb vermittelt.

Bis 28. Juli, geöffnet Di und Do bis So 10–19 Uhr sowie Mi 10–21 Uhr. bundeskunsthalle.de

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