Pokémon Go„Der Hype dauert drei Monate“

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Pokemon Hype

Köln – Hat Pokémon Go einen Suchtfaktor? Nicht mehr als andere Spiele, sagt Professor Jens Junge. Der Leiter des Instituts für Ludologie - Spielwissenschaften - hält etwa drei Prozent der Monsterjäger für ernsthaft suchtgefährdet. Mit ihm sprach Helge Matthiesen.

Professor Jens Junge leitet das Berliner Institut für Lu­do­lo­gie.

Professor Jens Junge leitet das Berliner Institut für Lu­do­lo­gie.

Herr Junge, haben Sie heute schon Pokémon Go gespielt?

Ja, das muss ich beruflich. Seit dem 13. Juli bin ich jeden Tag dabei. Wir beschäftigen uns natürlich mit solchen neuen Spielen und schauen uns an, was sie erfolgreich macht.

Ist das Spiel nur ein kurzer Sommertrend?

Der Hype wird etwa drei Monate dauern und dann wird sich ein Grundstock von Nutzern bilden, die an dem Spiel länger Spaß haben. Das ist eigentlich bei allen Spiele-Hypes bisher der Fall. Vor Kurzem war es noch Farmville, das angesagt war.

Was macht Pokémon Go so erfolgreich?

Der Erfolg ruht auf drei Säulen. Die erste ist die Tatsache, dass ich dauernd belohnt werde. Ich laufe herum und bekomme dafür Bälle, um Monster abwerfen zu können. Die zweite Säule ist das Training: Ich kann diese Monster besser machen. Es kommt auch dieser Pflegeinstinkt zum Tragen, den wir noch vom Tamagotchi kennen. Ganz wichtig ist aber die dritte Säule. Wenn meine Monster groß und stark sind, kann ich sie gegen andere antreten lassen.

Spielen das auch Erwachsene?

Es sind auch ganz viele Erwachsene dabei. Das sind die, die Pokémon schon als Kinder gespielt haben.

Gilt das auch für Internetspiele?

Wir betreiben das Portal spielen.de mit 15 000 Spielen. Ich kann Ihnen genau sagen, dass Frauen über 55 gerne bunte Blässchen abschießen - Bubbleshooter. Jungs im Alter von 19 bis 24 mögen American Poker. Im Endeffekt spielen alle, nur eben unterschiedliche Spiele auf unterschiedlichen Plattformen.

Wer nachts im Tunnel Pokémon jagt, muss der anfangen, über sich nachzudenken?

Es ist bei allen offenen Spielen die Gefahr, dass man die Realität um sich herum vergisst. Etwa drei Prozent der Menschen sind tatsächlich suchtgefährdet.

Ab wann ist Vorsicht geboten?

Wenn man viel mehr Zeit in dieses Spiel steckt, als sinnvoll ist. Im Schnitt spielen Nutzer 43 Minuten. Das ist eine hohe Zahl, aber ich möchte das ein wenig relativieren, denn viele Menschen nutzen ihren Weg zur Schule oder zur Arbeit, um das Spiel zu spielen. Das Spiel ist wunderbar in den Alltag zu integrieren.

Wird denn Spielen in Deutschland zu ernst genommen - oder nicht ernst genug genommen?

Die Branche an sich wird in Deutschland nicht ernst genug genommen. Die Politik macht immer noch einen weiten Bogen um das Spielephänomen. Spielen wird nicht als zentraler Kulturfaktor akzeptiert. Man sollte dieses neue Leitmedium aber ernst nehmen. Am Ende geht es um Hightech-Themen. Das können auch deutsche Firmen, aber alle finanzielle Unterstützung, alle Programme in der Kulturförderung konzentrieren sich auf die alten Medien wie Film oder Fernsehen. Das sehe ich in Deutschland als ein wirtschaftliches Problem an.

Wird Spielen unterschätzt?

Spielen wird absolut unterschätzt - und die Wissenschaft drumherum steckt noch in den Kinderschuhen. Psychologen, Pädagogen oder Soziologen beschäftigen sich damit, diese Erkenntnisse zu bündeln und aufzubereiten - das hat sich mein Institut vorgenommen.

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