Finanzberater Florian Klein„Ich bin schwul – und das ist mein Wettbewerbsvorteil“

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Florian Klein

Nach seinem Outing wurde Florian Klein selbstständiger Finanzberater und Versicherungsmakler: Er berät hauptsächlich homosexuelle Kunden.

Mit den Worten „Schwulsein ist mein Wettbewerbsvorteil“ stellte sich Finanzberater und Versicherungsmakler Florian Klein in einer Kampagne des Online-Netzwerks Xing vor. Der 29-jährige Mainzer betreut deutschlandweit rund 250 Kunden, die Mehrheit ist homosexuell. Im Interview erklärt Klein, warum er nach seinem Outing vor sechs Jahren den Schritt in die Selbstständigkeit tat – und wieso schwule und lesbische Kunden bei ihm gut beraten werden.

Herr Klein, warum brauchen wir eigentlich Finanzberater, die sich speziell um Homosexuelle kümmern? Werden Homosexuelle in Beratungsgesprächen diskriminiert? 

Florian Klein: Ich persönlich habe keine offene Diskriminierung in der Beratung erlebt und kenne auch keine solchen Fälle. Das geschieht wenn, dann eher unterschwellig. Viele Homosexuelle haben aber Angst vor den Reaktionen des Beraters und fürchten eine schlechtere Behandlung. Sie fragen sich: „Wie reagiert dieser mir fremde Berater, wenn ich ihm sage, dass ich schwul bin?“ Es gibt da eine hohe Hemmschwelle, insbesondere bei Menschen, die sich noch nicht vor Freunden und Familie geoutet haben.

Und Sie können den Kunden diese Unsicherheit nehmen.

Ich verstehe die Lebenssituation meiner Kunden. Ein Beispiel: Bei meinem ersten Beratungsgespräch mit einem lesbischen Pärchen ging es um das Thema Familienplanung. Ich war neugierig und fragte, ob sie auf natürlichem Wege ein Kind bekommen wollen – was ja nicht möglich ist. Ich hatte mich verplappert, und wir lachten gemeinsam darüber. Aber ich kann mir vorstellen, dass diese Gesprächssituation mit einem Hetero-Berater belastet gewesen wäre. Vielleicht hätte er ein wenig zu laut gelacht, und das Kopfkino wäre angegangen.

Was machen Sie noch anders?

Ich versuche vor allem, eine angenehme, offene Gesprächsatmosphäre zu schaffen. Denn die Kunden vertrauen mir intime Dinge an, bei mir werden ja viele persönliche Informationen gebündelt: das Gehalt, die Familienplanung, der Gesundheitszustand. Ich möchte ein authentischer Berater sein und dem Gegenüber im Gespräch signalisieren: „Ich bin schwul, und du lieber Kunde darfst sein, was du willst.“

Sie sind ja nicht zuletzt in der Xing-Kampagne, Titel: „Haben Schwule und Lesben wirklich die gleichen Chancen im Job?“, sehr offensiv mit Ihrem Schwulsein umgegangen. Gab das auch negative Reaktionen?

Die Kommentare waren unterschiedlich. Einige fragten: „Wieso braucht man das heute noch? Die Gleichstellung ist doch vollzogen. Mir ist es egal, wer wen liebt.“ Aber einige Kommentare darunter stand dann das Gegenteil, da wurden mir Bibelzitate um die Ohren gehauen, es fielen Sätze wie „Homosexualität ist widernatürlich.“ Das Ganze sogar unter Klarnamen, was mich auf einer Businessplattform sehr erschreckt hat. In einem anonymen Internetforum rechnet man ja eher mit sowas.

„Heterosexuelle Berater fühlen sich teilweise angegriffen“

Florian Klein schwarz-weiß

„ich will keine Abgrenzung, das ist nicht mein Ziel.“

Unsere Gesellschaft ist also weniger offen und tolerant, als es manche Kommentatoren behauptet haben. Wie reagieren denn andere Berater auf Ihre Spezialisierung?

Unterschiedlich. Manche reagieren wohlwollend und positiv. Andere heterosexuelle Berater fühlen sich angegriffen und selbst diskriminiert, weil sie denken, ich würde ihnen eine gute Beratung von Schwulen und Lesben nicht zutrauen und ihnen den Zugriff auf die Klientel erschweren. Dass mir der Zugang leicht fällt, stößt ihnen auf. Aber ich will keine Abgrenzung, das ist nicht mein Ziel. Meine Kernbotschaft lautet: Jeder darf so sein, wie er ist – er darf Farbe bekennen. Und es steht ohnehin jedem Kunden frei, zu mir zu kommen. Es ist ähnlich wie bei Firmen, die Gründungsberatung speziell für Frauen anbieten: Dort werden Sie auch kaum Männer als Berater finden.

Sind denn die Bedürfnisse homosexueller Kunden so viel anders? 

Die Grundkonstellation ist anders. Bei homosexuellen Paaren ist der Nachwuchs seltener ein Thema. Somit bleibt beispielsweise mehr Platz im Leben für ausgedehntere, exotischere Reisen, oder man hat ganz andere Anforderungen an sein Eigenheim. Wenn um die Versorgung Hinterbliebener geht, etwa um eine Leistung im Todesfall, betrifft das meist nur den Partner. Bei der Produktpalette sehe ich hingegen keine Unterschiede, eine Bausparkasse wird dem schwulen Pärchen problemlos einen Vertrag geben. Durch die eingetragene Lebenspartnerschaft sind wir auch gleichgestellt in Sachen Ehegattensplitting oder Freigrenzen bei der Erbschaftssteuer. Vor dem Grundgesetz sind wir allerdings immer noch nicht gleichwertig mit Hetero-Ehen – ein kleiner, aber für viele bedeutender Unterschied.

Die Versicherungsbranche gilt als konservativ. Ist das eine besondere Herausforderung für Homosexuelle?

Es ist eine konservative Branche, aber das finde ich in Ordnung. Niemand braucht einen Berater, der einem das Goldene vom Himmel verspricht, was zählt, sind Erfahrungswerte, krisenfeste Unternehmen. Mit manchen Fällen tut sich die Branche allerdings schwer: Als es noch die unterschiedlichen Tarife für Männer und Frauen gab, hatte ich einen transsexuellen Mann als Kunden. Er hatte zwar schon einige Operationen hinter sich, aber fiel bei der Versicherung durch das Raster: Sollten sie ihn noch als Frau oder schon als Mann eintragen? Da tut sich die Branche oft noch schwer.

Sind Sie deshalb selbstständig? Hätten Sie Ihr Konzept als Angestellter einer alteingesessenen Firma nicht durchsetzen können?

Ich wollte nach dem Outing einfach selbstständig sein, das gehörte zu meinem neuen Lebensentwurf dazu. In großen Unternehmen ist außerdem der Wettbewerb härter, es herrscht eine Ellbogen-Mentalität, das wollte ich nicht. 

Sie haben eine Nische für sich entdeckt. Sind Sie als schwuler Finanzberater eine Art Vorreiter?

Es waren schon vorher einige Berater in dieser Zielgruppe unterwegs, aber ich bin wohl der erste, der so offensiv mit schwuler Finanzberatung geworben hat. Und der Beratungsbedarf wächst, es gibt immer mehr Regenbogenfamilien. Ich plane derzeit in mehreren großen deutschen Städten weitere Beratungsbüros und würde mich über interessierte Geschäftspartner freuen. 

Mehr über Florian Klein hier auf seiner Facebook-Seite

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