Voluntourismus voll im TrendIm Urlaub die Welt retten – geht das?

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Fünf Männer arbeiten an einem Hausrohbau.

Vor allem junge Menschen nutzen ihre freie Zeit immer öfter für einen Freiwilligendienst im Ausland.

In einer Schule unterrichten oder Müll am Meer einsammeln: Voluntourismus wird immer beliebter. Was dahinter steckt.

Einen Urlaub mit Freiwilligenarbeit zu buchen unterscheidet sich kaum von der Buchung eines anderen Trips. Nach ein paar wenigen Klicks gelangt man auf Anbieter-Websites. Die Möglichkeiten sind wie bei jeder anderen Urlaubsreise nahezu unbegrenzt. Arbeit mit Straßenkindern in Neu-Delhi, Englisch-Lehrer in Costa Rica oder Rettung von Schildkröten in Indonesien.

Jedes Jahr nutzen Tausende vor allem junge Menschen aus dem globalen Norden diese Reiseform. Die Zielländer liegen vor allem in Afrika, Südamerika und Asien. „Wir sehen den Trend, im Urlaub etwas Besonderes zu erleben, und diesen Anspruch erfüllt Voluntourismus“, sagt Antje Monshausen, Referatsleiterin für Wirtschaft und Nachhaltigkeit bei Brot für die Welt. Und an sich sei das auch zu begrüßen. „Der Impuls zu helfen ist natürlich positiv“, sagt Monshausen.

Nutzen vor Ort oft begrenzt

Aber oft sei der Nutzen vor Ort begrenzt. „Wenn Menschen ohne Expertise für einen kurzen Zeitraum in einem Land, dessen lokale Sprache sie nicht beherrschen, beispielsweise Englisch unterrichten, dann kann man nicht von einem Hilfsprojekt sprechen“, sagt Monshausen. „Das ist eher ein Lernprojekt für die Freiwilligen, die so die Chance haben, über Ungleichheit und ihre Privilegien zu reflektieren.“

Darin sieht auch der Tourismusforscher Jürgen Schmude von der Universität München den großen Vorteil dieser Reiseform. „Die Forschung zeigt, dass Volontäre den romantischen Blick auf die Zielregion ablegen und einen viel realistischeren Blick auf die Länder und Regionen gewinnen“, sagt er.

Die Forschung zeigt, dass Volontäre einen viel realistischeren Blick auf die Länder und Regionen gewinnen.
Jürgen Schmude, Tourismusforscher

Allerdings nur, wenn bestimmte Kriterien erfüllt werden. „Wenn es keine Vorbereitungsseminare gibt, ist das ein K.-o.-Kriterium“, sagt der Tourismus-Experte. Auch Monshausen rät zu einer kritischen Prüfung der Anbieter: „Es sollten auf jeden Fall die Alarmglocken schrillen, wenn das Marketing sehr stark auf Armut konzentriert ist“, sagt sie. Das verstärke neokoloniale Klischees eher, weil Menschen vor Ort als hilflose Bittsteller dargestellt werden.

Und häufig seien Projekte mit Kindern besonders problematisch. Während in Deutschland hohe Hürden für die Arbeit mit Kindern gelten, gibt es in einigen Ländern kaum welche. „Bei der Arbeit mit Kindern rate ich dringend zu einer längeren Aufenthaltsdauer. Für die Kinder kann es negative psychologische Folgen haben, wenn immer wieder die Bezugsperson wechselt“, sagt Monshausen. Das könne zu Traumata und Bindungsstörungen führen.

Waisenhäuser ein No-Go

Ein absolutes No-Go sei Voluntourismus in Waisenhäusern. „Einige solcher Einrichtungen werden nachweislich nur zum Zweck der Freiwilligendienste betrieben. Die Mehrheit der Kinder muss dort getrennt von den meist noch lebenden Elternteilen aufwachsen“, sagt Monshausen. Die Expertin empfiehlt bei der Arbeit mit Kindern einen Mindestaufenthalt von sechs Monaten. Wichtig sei auch, auf gute Kinderschutzstrategien der Anbieter zu achten. Auch Schmude rät bei der Arbeit mit Menschen zu längeren Aufenthalten von bis zu einem Jahr.

Um einen seriösen Anbieter zu erkennen, raten die Experten zu gezielten Nachfragen. „Wenn ein Anbieter nichts wissen will, ist das ein Warnzeichen“, sagt Monshausen. Ein Voluntourismus-Aufenthalt sei nun mal kein Urlaub wie jeder andere. „Je aufwendiger das Verfahren ist, desto vertrauenswürdiger ist oft der Anbieter“, sagt die Expertin.

Grundsätzlich seien geregelte Freiwilligendienste, wie sie beispielsweise im Rahmen des „weltwärts“-Programms angeboten werden, eine sinnvolle Möglichkeit, sagt Schmude. Durch ihre lange Dauer und die intensive Vor- und Nachbereitung sei diese Form für Freiwillige und die aufnehmende Gemeinschaft besonders gewinnbringend.

Wer doch nur wenig Zeit hat und dennoch tief in die Kultur fremder Länder eintauchen will, für den gibt es abseits von Voluntourismus andere Möglichkeiten. Sogenannter Community-based-Tourism-Urlaub in kleineren Gemeinden oder Gastfamilien abseits vom Massentourismus biete beispielsweise den engen Kontakt zur lokalen Bevölkerung und Einblicke in die Lebensweise vor Ort. „Und es gibt natürlich auch unproblematische Voluntourismus-Angebote wie Müll sammeln am Meer“, sagt Monshausen.

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