Interview

Präsident des Bauernverbandes
Hat sich die Wut der Landwirte verzogen, Herr Rukwied?

Lesezeit 4 Minuten
Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes, bei einer Rede

Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes

Gut 100 Tage nach den Bauernprotesten mit Traktoren stellt sich Bauernpräsident Joachim Rukwied der Frage, ob sie erfolgreich waren.

Herr Rukwied, die Bauernproteste sind weitgehend abgeflaut. In Berlin wurde schon länger kein Trecker mehr gesehen. Hat sich die Wut der Bauern verzogen?

Das ist der falsche Eindruck. Die Kampagne geht weiter. Wir pochen darauf, dass es beim Agrardiesel eine faire Lösung in Höhe des europäischen Durchschnittssteuersatzes für die Landwirtschaft bei Diesel gibt. Sollte die Steuerrückerstattung auslaufen, ist das ein weiterer Nachteil für deutsche Bauern im europäischen Wettbewerb. In Belgien beispielsweise wird Agrardiesel gar nicht besteuert. Es stehen Wahlen an – dieses Jahr die Europawahl, nächstes Jahr die Bundestagswahl. Da werden wir wieder deutlich sichtbar sein.

Wenn es notwendig wird, sind wir sehr schnell wieder auf der Straße.
Joachim Rukwied

Sind die Bauern das derzeit nicht, weil sie ihre Traktoren auf den Feldern brauchen?

Wenn es notwendig wird, sind wir sehr schnell wieder auf der Straße. Was das bedeutet, haben wir im Winter gezeigt. Da lassen wir nicht locker. Der Agrardiesel darf nicht gestrichen werden. Und wir fordern: Steuerfreiheit bei Bio-Treibstoffen für die Landwirtschaft.

Warum hört die Politik in Sachen Agrardiesel nicht auf die Bauern? War der Protest umsonst?

Wir haben viel erreicht. Wir Bauern haben die agrarpolitische Agenda in Berlin, insbesondere in Brüssel gedreht. Vielen ist klar geworden, wie wichtig die Landwirtschaft ist. Nicht nur für die Nahrungsmittelversorgung, sondern generell für den ländlichen Raum. Darüber hinaus bleiben die grünen Kennzeichen erhalten. Die Stilllegung von Flächen ist ausgesetzt. Nicht praktikable Vorschläge zum Pflanzenschutz wurden zurückgenommen. Das ist schon eine ganze Menge. Was offen ist: Der Agrardiesel muss bleiben und Bürokratie abgebaut werden, viel Bürokratie bedeutet hohe Kosten.

Landwirtschaft ist nicht nur ein Beruf, Landwirtschaft ist Überzeugung, dafür lebt man.
Joachim Rukwied

Diejenigen, die da protestieren gefahren sind, sind die Gewinner der Wachse-oder-weiche-Politik der vergangenen Jahre. Sie sind noch da, weil andere aufgegeben haben …

Moment, das war nie das Credo des Bauernverbandes. Auch kleine Betriebe müssen und können eine Zukunft haben. Fakt ist: Seit 15, eher 20 Jahren stehen die Bauernhöfe in Deutschland unter starkem wirtschaftlichen Druck. Das belastet. Landwirtschaft ist nicht nur ein Beruf, Landwirtschaft ist Überzeugung, dafür lebt man. Deswegen war der Protest ja auch so wuchtig und emotional.

Was der Protest auch deutlich gemacht hat: Wie viele Organisationen und Personen mittlerweile für die vergleichsweise kleine Gruppe der Landwirtschaft sprechen. Bauernverband, LSV, BDM, Freie Bauern, Abl und so weiter …

Der Deutsche Bauernverband spricht für annähernd 90 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland. Die sind freiwillig bei uns Mitglied. Wir sind das Sprachrohr der Landwirtschaft. Bei den Demonstrationen haben wir auch andere Organisationen mit eingebunden.

Wie rechts waren die Demos denn nun? Es wurde kontinuierlich gewarnt.

Es gab vereinzelte Unterwanderungsversuche der Demonstrationen. Das waren aber absolute Ausnahmen. Wir Landwirte stehen in der Mitte der Gesellschaft, die Landwirtschaft ist zentral in der Demokratie verankert.

Was bislang ebenfalls nicht gelöst ist, ist der Umbau der Tierhaltung in Deutschland. Zuletzt hieß es, verschiedene Organisationen sprächen sich für eine Anhebung der Mehrwertsteuer auf Fleisch von 7 auf 19 Prozent aus.

Was wir zunächst einmal brauchen: Das politische Bekenntnis zum Umbau der Tierhaltung muss mit Verträgen abgesichert werden, die über 20 Jahre laufen. Es muss sichergestellt sein, dass das Geld da ist und auch tatsächlich bei den Landwirten ankommt. Sonst kann kein Bauer in einen Stall investieren.

Und wo soll das Geld herkommen?

Aus dem Bundeshaushalt. Das schafft eine gewisse Sicherheit. Eine Anhebung der Mehrwertsteuer bei Fleisch auf den Regelsteuersatz lehnen wir grundsätzlich ab. Genau so wie die Einführung eines Tierwohl-Cents. Wir brauchen eine verlässliche Finanzierung für einen Umbau der Tierhaltung.

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung hat jüngst neue Empfehlungen veröffentlicht: Maximal 300 Gramm Fleisch pro Woche, heißt es dort. Wenn die Deutschen das umsetzen, braucht es deutlich weniger Ställe, weil der Fleischkonsum radikal zurückgehen würde. Was halten Sie von den Empfehlungen?

Ich halte von diesen Ernährungsempfehlungen nichts. Ärzte empfehlen etwas ganz anderes. Diese Empfehlungen entsprechen nicht einer ausgewogenen Ernährung. Aus meiner Sicht sollte sich jeder so ernähren, wie er es für richtig hält. Da braucht es keine Empfehlungen, und schon gar keine Empfehlungen von der Politik, Stichwort: Ernährungsstrategie.

Zum Schluss zum Ackerbau: Vielerorts stehen die Äcker immer noch unter Wasser. Wie beeinflusst das verregnete Frühjahr die Arbeit der Bauern?

Es gibt Regionen in Deutschland, beispielsweise der Nordwesten, da war bislang noch gar keine Feldarbeit möglich. Das trifft einige Betriebe hart. Es heißt ja: „Im Märzen der Bauer die Rösslein einspannt“. Jetzt haben wir Mitte April. Daran erkennt man, wie schwierig die Situation für die Landwirte in den betroffenen Regionen ist.

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