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Komplettübernahme zum JahreswechselKlinik-Fusion in Mechernich und Schleiden nimmt Form an

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Mechernich/Schleiden – Ein ambitioniertes Projekt haben sich die Verantwortlichen des Mechernicher Kreiskrankenhauses vorgenommen: binnen zwei Jahren aus zwei Krankenhäusern eines zu machen – das aber an zwei Standorten betrieben wird. Die Eingliederung des Schleidener Antonius-Krankenhauses in die Kreiskrankenhaus Mechernich GmbH begann Anfang 2014, als die Mechernicher Anteile von 49 auf 93,33 Prozent aufgestockt wurden. Zum Jahreswechsel 2015/16 erfolgt die Komplettübernahme.

In diesen zwei Jahren haben Hauptgeschäftsführer Dr. Hans Rossels und sein Team viele Baustellen abzuarbeiten. Nicht gerade erleichtert wird ihre Arbeit durch die unterschiedlichen Voraussetzungen, mit denen die Häuser in die Fusion starteten. Auf der einen Seite die Mechernicher Klinik, die in den vergangenen zwei Jahrzehnten unter Rossels’ Regie konstant auf- und ausgebaut wurde. Auf der anderen Seite das Schleidener Krankenhaus, das rote Zahlen schreibt und einen Sanierungsstau hat. Wäre es da nicht bedeutend einfacher, Schleiden dicht zu machen und die Arbeit komplett in Mechernich zu erledigen? „Nein!“ Die Antwort der Verantwortlichen ist eindeutig: Die Sicherstellung der wohnortnahen Versorgung im Schleidener Tal habe nicht zur Diskussion gestanden.

Umbau für fünf Millionen Euro

Zum Konzern gehören neben den Kliniken in Mechernich und Schleiden unter anderem auch das Geriatrische Zentrum Zülpich, der Vivant-Pflegedienst und die Altenpflegeeinrichtung Liebfrauenhof in Schleiden. Konzernweit sind rund 1600 Mitarbeiter beschäftigt (1000 Vollzeitstellen). 2014 wurde ein Umsatz von 100 Millionen Euro erwirtschaftet und ein Überschuss von 1,7 Millionen Euro.

Im Kreiskrankenhaus Mechernich betreuten 1000 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen (630 Vollzeitstellen) im vergangenen Jahr 19500 Patienten. Es wurden 70 Millionen Euro umgesetzt und ein Überschuss von insgesamt 1,5 Millionen Euro erzielt.

Im Antonius-Krankenhaus Schleiden arbeiten 200 Mitarbeiter (140 Vollzeitstellen). 2014 wurden 4800 Patienten betreut. Bei einem Umsatz von 16 Millionen Euro betrug 2014 das Defizit 534000 Euro. 2013 lag es noch bei rund einer Million Euro. Die Differenz ist laut Dr. Hans Rossels in erster Linie durch in 2013 gebildete Rücklagen zu begründen. (rha)

Also gilt es, die Baustellen anzugehen. Zum einen diejenigen, auf denen tatsächlich gehämmert, gebohrt und gesägt wird und für die der Mechernicher „Hausarchitekt“ Joachim Stiller wenige Monate nach Beginn des Übernahmeprozesses die Pläne fertig hatte. Gut fünf Millionen Euro werden baulich ins Antonius-Hospital gesteckt: Das Erdgeschoss samt der Behandlungsräume wird komplett umgekrempelt und neu gestaltet, eine Wahlleistungsstation und ein Parkdeck werden gebaut.

Die Großbaustelle Schleiden hat nicht zur Konsequenz, dass sich in Mechernich nichts tut. Auch dort wird emsig gebaut: Der neue Eingangsbereich ist so gut wie fertig (zwei Millionen Euro), die Zentralsterilisation ist in Betrieb, für 980000 Euro wurden Bäder umgebaut, für 1,7 Millionen Euro die neue Wahlleistungsstation „Elisabeth“ geschaffen.

Ungleich schwieriger und komplexer ist es, die Strukturen der Häuser zusammenzuführen. Zu Beginn der Fusion hat Rossels keinen Hehl daraus gemacht, dass er Schleiden zwar nicht als Anhängsel Mechernichs sieht, dass Mechernich aber auch nicht dauerhaft Schleiden subventionieren werde. 2016 oder 2017 soll Schleiden eine „schwarze Null“ vorweisen.

Zeitgleich mit der Fusion in der Eifel fanden die Verhandlungen über den Krankenhausplan NRW statt. In der Region waren die Krankenkassen und Kliniken im Kreis, die Bezirksregierung und das NRW-Gesundheitsministerium beteiligt. Erklärtes Ziel dieses Plans ist die Zentrenbildung und Vernetzung der Klinikstandorte, um eine hochwertige und wohnortnahe Versorgung zu gewährleisten. Klar ist, dass es angesichts dieser Vorzeichen ein kleines Haus wie das Schleidener alleine auf Dauer sehr schwer gehabt hätte.

Bettenzahl erhöht

Entgegen dem landesweiten Trend zum Bettenabbau wird die Zahl im Kreiskrankenhaus sogar noch um fünf weitere Betten erhöht. 523 Betten werden vorgehalten: 418 in Mechernich, 105 in Schleiden.

In Schleiden wird zum einen die wohnortnahe Grundversorgung vorgehalten, zum anderen werden die bestehenden Schwerpunkte ausgebaut. Letzteres betrifft in erster Linie die Hand- und Fußchirurgie sowie die Schmerztherapie, die allesamt über Schleiden hinaus einen guten Ruf genießen.

Abteilungen wie Frauen- und Kinderheilkunde, Urologie, Gefäßchirurgie sowie Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde werden auch weiterhin ausschließlich in Mechernich vorgehalten.

Neu eingerichtet werden zum Jahresbeginn 2016 in Schleiden 15 Geriatrie-Betten, die in den Versorgungsverbund eingegliedert werden, zu dem die Häuser in Schleiden, Mechernich, Zülpich und die Altenpflegeeinrichtungen gehören. Die 15 Betten werden nicht zusätzlich eingerichtet, sondern durch bedarfsgerechte Belegung geschaffen. Ohnehin, so Geschäftsführer Hermann Gemke, werde in der Geriatrie ein interdisziplinärer Ansatz verfolgt, um nachlassende Fähigkeiten der alten Menschen zu erhalten und zu fördern. Daher arbeiteten neben Ärzten beispielsweise auch Physiotherapeuten und Sozialdienste mit. Dr. Michael Münchmeyer wird als Chefarzt für beide Standorte verantwortlich sein, in Schleiden wird zudem ein leitender Abteilungsarzt sein.

Personelle Konsequenzen

Die Abteilung Allgemein- und Viszeralchirurgie wird in Schleiden zum 1. September in eine Dependance umgewandelt. Daraus, dass die Abteilung in Schleiden nicht eigenständig zu halten sei, habe man, so Rossels, nie einen Hehl gemacht. Während in Mechernich im Schnitt 30 Betten belegt seien, seien es in Schleiden neun – damit lasse sich der Qualitätsstandard nicht halten. Dies hat personelle Konsequenzen: Chefarzt Dr. Peter Bertram, seit 2010 in Schleiden, verlässt die Klinik zum Monatsende. Dr. Ulf Schmidt übernimmt die Abteilung auch in Schleiden. Er wird an beiden Standorten tätig sein, Sprechstunden anbieten, operieren und Visiten durchführen. Die Patienten können weiterhin Schleiden ansteuern. Da laut Schmidt rund 70 Prozent der Operationen planbar sind, könne dann entschieden werden, wo der Eingriff durchgeführt wird. Große Eingriffe und Schilddrüsen-OPs sollen in Mechernich durchgeführt werden, während die Grundversorgung – etwa bei Blinddarmentzündungen oder Gallenblasen-OPs – in Schleiden sichergestellt wird. Denkbar ist, dass einfachere Eingriffe künftig schwerpunktmäßig in Schleiden vorgenommen werden.

Zentralisieren um des Zentralisierens Willen ist nicht Rossels’ Ziel. Die Patientenverwaltung in Schleiden bleibe bestehen, Lager und Haustechnik ebenfalls. Personalabteilung und Einkauf werden Mitte 2016 in Mechernich zusammengeführt. Schleiden wird derzeit von einem Caterer beliefert, eine gemeinsame Küche in Mechernich ist denkbar, wenn dort – nicht vor 2018 – eine neue Zentralküche gebaut wird.

Dass die Mitarbeiter besorgt sind, versteht Rossels. „Wir werden Schleiden nicht über die Wupper gehen lassen“, sagt er, fordert aber auch Kooperationsbereitschaft: „Es kann nicht jeder weiter im eigenen Sandkasten spielen.“ Dass das Zeit brauche, sei klar: Mit drei bis vier Jahren rechne er, bis die Zusammengehörigkeits-Mentalität in allen Köpfen angekommen sei. Den Mitarbeitern in Schleiden habe man viele Sicherheiten geboten: etwa das Ausschließen betriebsbedingter Kündigungen für sieben Jahre und das Festhalten am eigenen Betriebsrat bis zur nächsten Wahl im Mai 2018. Ein Überhang von fünf bis acht Stellen in Schleiden sei bereits abgebaut, indem freiwerdende Stellen nicht besetzt wurden.

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