Reaktion auf MissbrauchsfälleTroisdorfer arbeiten gemeinsam für mehr Kinderschutz

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Eine Gruppe von Männern und Frauen auf dem Dach eines Verwaltungsgebäudes.

In Troisdorf hat das erste Treffen eines großen Netzwerks Kinderschutz stattgefunden. Vertreter der Stadtverwaltung und der beteiligten Institutionen stellten das Projekt vor.

Das Kinderschutzgesetz des Landes nimmt mehr Menschen als bisher in die Pflicht.

Mehr als 400 Personen haben an einem ersten Treffen des neuen Troisdorfer Netzwerks Kinderschutz teilgenommen. Das bedeutet 800 Augen, die noch genauer hinschauen, wenn es um Anzeichen von Kindeswohlgefährdung oder gar Missbrauch geht.

NRW-Regierung reagierte auf schockierende Missbrauchsfälle

Mit dem neuen Landeskinderschutzgesetz reagierte die Landesregierung im Mai 2022 unter anderem auf schockierende Missbrauchsfälle. „Es ist eines der stärksten in Deutschland“, sagte bei der Vorstellung des Netzwerks Markus Pütz, Fachgebietsleiter im städtischen Jugendamt. „Jeder, der mit Kindern zu tun hat, muss hinschauen.“

Das Gesetz stelle auch fest, dass der Kinderschutz eine Querschnittsaufgabe sei, die nicht nur vom Jugendamt geleistet werden müsse. So gehören, wie Jugendamtsleiter Dr. Markus Wüst ausführte, zum Netzwerk Einrichtungen der Jugendhilfe ebenso wie Schulen und Kindertageseinrichtungen, das Familiengericht, die Kreispolizeibehörde oder das Gesundheitsamt. „Das entlastet uns“, sagte Markus Pütz. „Man muss nicht alles allein tragen.“

Wir kommen in die Realität rein
Lars Gödel, Leiter des Amts für Feuerschutz und Rettungsdienst

Zu den Netzwerkpartnern gehören auch Feuerwehr und Rettungsdienst. Was zunächst überraschen mag, ergibt beim näheren Hinsehen viel Sinn. Die Einsatzkräfte im Rettungsdienst seien oft als erste vor Ort, sagte Amtsleiter Lars Gödel. „Wir kommen in die Realität rein“ – und das ohne Anmeldung. 

Schatten von Händen einer erwachsenen Person und dem Kopf eines Kindes an einer Wand eines Zimmers.

Um Kinder vor Gewalt und sexuellem Missbrauch zu schützen, wollen die Institutionen in Troisdorf ein Netzwerk bilden.

Die Kolleginnen und Kollegen hätten wohl Antennen, sagte Gödel; sie sollten den Mut haben, ihre Beobachtungen anzusprechen. Im Netzwerk sollten sie so geschult werden, dass sie dafür auch den richtigen Ansprechpartner oder die -partnerin finden. „Wir wollen sensibilisieren“, sagte Gödel. Ein kleines Netzwerk mit Krankenhäusern und Jugendamt sei in Arbeit, es solle Schulungen geben.

Fachkraft im Troisdorfer Rathaus koordiniert die Netzwerkarbeit

Genau auf solche Entwicklungen, für die es auch zusätzliches Geld gibt,  setzt auch Heike Niermann, die im Rathaus für die Koordination der Netzwerkarbeit zuständig ist. „Es kann sein, dass jemand aus dem Ordnungsamt, eine Kinderärztin und eine Erzieherin gemeinsam in einer Fortbildung sitzen“, sagte sie. Und vielleicht trauten die sich später eher, den oder die jeweils anderen anzurufen und nach einer Einschätzung zu fragen.

Mögliche Ansprechpartner sind zum Beispiel in der Lohmarer Kinder- und Jugendhilfe Hollenberg rund um die Uhr erreichbar, wie die Leiterin Susanne Heyd berichtete. „Es gibt Alarmzeichen“, sagte sie. Die Fachkräfte im Bereitschaftsdienst könnten am Telefon beraten, unter Umständen auch dafür sorgen, dass ein Kind unmittelbar aus der Familie genommen werde.

Experten sehen Troisdorf „gut aufgestellt bei Hilfestrukturen“

Offen für einen regelmäßigen Austausch zeigte sich auch Antonella Maglieri, Geschäftsführerin des Vereins für Sozialpädagogische Familienhilfe (Sofa). „Vernetzung ist Prävention“, sagte sie. „Das löst nicht einer allein.“ Troisdorf sei aber „gut aufgestellt“ bei den Hilfestrukturen. Zugleich betonte sie, gemeinsam mit den Eltern arbeiten zu wollen: „Wenn die Eltern zumachen, sind wir raus.“

Auf „Handlungssicherheit“ hofft Ralf Wermter, Rektor der Rupert-Neudeck-Hauptschule. Immer wieder seien Fragen des Kinderschutzes ein Thema an der Schule. Aber auch die seelische Gesundheit der Schülerinnen und Schüler sei schon vor der Pandemie mehr in den Fokus gerückt.

Nicht zuletzt wollten die Lehrkräfte Kinder und Jugendliche auch ihre Rechte hinweisen: „Viele kennen die Grenzen nicht“, wüssten nicht, dass sie Nein sagen könnten. Zugleich müssten Gefährder zum Beispiel nach sexuellen Übergriffen auch anders in den Blick genommen werden: „Woher kommt das Verhalten?“

Noch seien die Vereine nicht Teil des Netzwerks, sagte Heike Niermann, die nehme das Gesetz nicht in die Pflicht. Gleichwohl sei es ein Ziel, auch Vereine für die Zusammenarbeit zu gewinnen. „Viele Vereine machen das schon“, berichtete Jugendamtsleiter Wüst. Auch der Landessportbund unterstütze das in der Entwicklung. 

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