Es Jonquet auf MallorcaWie Immobilienhaie und Investoren ein Dorf ruinieren

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Es Jonquet

Es Jonquet auf Mallorca 

Palma – Früher war die Welt in Es Jonquet noch in Ordnung. In der alten Siedlung oberhalb des Hafens von Mallorcas Hauptstadt Palma wohnten viele Fischer, Matrosen und Kaufleute, die vom Seehandel lebten. Windmühlen drehten sich und mahlten Getreide. Santa Catalina, die Schutzpatronin der Seefahrer, wachte über das Wohl der Menschen. Die Nachbarn kannten sich, formten eine Gemeinschaft. Heute ist von dieser heilen Welt in der Siedlung Es Jonquet, die zum Stadtviertel Santa Catalina gehört, nicht mehr viel übrig.

Das Fischer- und Mühlenviertel hat viel von seinem historischen Charme verloren. Und es ist ein Beispiel dafür, wie Immobilienspekulation, Tourismus und Vergnügungsindustrie die alteingesessene Bevölkerung verdrängen.

An etlichen Häusern, die oberhalb der alten Stadtmauer Palmas liegen, hängt das Schild „Se vende – Zu verkaufen“. Die Wohnungen sind aus verschiedenen Gründen auf dem Markt: etwa weil die alten dort lebenden Besitzer verstarben, weil die Eigentümer mit hohen Mietforderungen die Bewohner vertrieben, um Kasse zu machen, oder weil Immobilienhaie die Häuser kauften und nun Investoren anbieten.

Preiswucher ruiniert das Ambiente

„In Es Jonquet werden heute Mondpreise gezahlt“, erklärt der Stadtteilforscher Albert Herranz in der Inselzeitung „Diario de Mallorca“. Herranz hat ein Buch über die Geschichte des Viertels geschrieben. Er bedauert, dass Spekulation und Preiswucher dem historischen Geist des Quartiers den Garaus machen.

Die Maklerbranche sieht dies anders. „Der Stadtteil ist das Modeviertel Palmas“, umwirbt eine internationale Immobilienagentur die Kunden. „Hier mischt sich das schlichte, dörfliche Ambiente mit einem modernen Lebensstil.“ Die Lage sei traumhaft: Promenade und Hafen sind vor der Tür, die Altstadt ist nur wenige Schritte entfernt. „Genau gegenüber meinem Haus wurde für viel Geld eine Wohnung verkauft“, berichtet ein Anwohner. Das Apartment sei in eine Ferienwohnung verwandelt worden, die über die Vermietungsplattform Airbnb angeboten werde. So geschah es mit vielen Wohnungen. Auf Airbnb kostet schon ein kleines Urlaubsapartment in Es Jonquet zwischen 1000 und 2000 Euro – pro Woche.

Es Jonquet: Quadratmeterpreis von 10000 Euro und mehr

Ein Blick in die Maklerportale zeigt, welcher Wind heute in Es Jonquet weht: Von der Branche werden Objekte mit den Worten „ideale Investition“ und „zur Ferienvermietung geeignet“ angepriesen. Ein Beispiel: vier renovierte Studios, jedes rund 35 Quadratmeter groß, kosten jeweils zwischen 380000 und 400000 Euro – plus Steuern und Gebühren. Der Quadratmeterpreis liegt in diesem Fall bei mehr als 10000 Euro. Aber das ist noch günstig, verglichen mit Luxusangeboten im Viertel. So ist derzeit eine Penthouse-Wohnung mit 126 Quadratmetern für 2,5 Millionen Euro auf dem Markt – mit Pool auf der Dachterrasse. Hier liegt der Quadratmeterpreis bei nahezu 20000 Euro.

Manche Wohnungen wechselten innerhalb kurzer Zeit mehrfach den Besitzer, schreibt der „Diario“. Der Grund: „Die Häuser werden aufgekauft, modernisiert und schließlich weiterverkauft.“ Manchmal zum doppelten oder dreifachen Preis der Ausgangsinvestition. „Ich kenne eine Wohnung, die in fünf Jahren dreimal verkauft wurde – und zwar jedes Mal für mehr Geld“, berichtet ein Leser im „Diario“. Viele Käufer seien Ausländer – vor allem wohlhabende Deutsche, Briten und Skandinavier, heißt es weiter. Manche ausländischen Besitzer nutzten das Objekt dann als gelegentlichen Zweitwohnsitz, um ab und zu mal ein Wochenende oder die Ferien auf Mallorca zu verbringen.

Beschwerden über zu viel Lärm

Immer mehr Ferienwohnungen und Zweitwohnsitze, viele Besitzerwechsel, ganze Gebäudeblöcke im Umbau – das führt dazu, dass nicht wenige Häuser längere Zeit leer stehen. „Es Jonquet – millionenschwere Spekulationen in einem Geisterviertel“, titelte eine Inselzeitung.

Doch davon kann eigentlich in Es Jonquet keine Rede sein. Denn die Anwohner beschweren sich nicht über zu viel, sondern über zu wenig Ruhe in den Straßen: Das Viertel El Jonquet und der umliegende Stadtteil Santa Catalina sind zu den beliebtesten Ausgehzonen Palmas geworden – für Urlauber und für Einheimische.

Mehr als 100 Restaurants und Bars, meist mit Außenterrassen, verdrängten jene kleinen Geschäfte, die früher die Bevölkerung mit dem Nötigsten versorgten. Das Nachtleben pulsiert und sorgt für wachsende Konflikte mit den Bewohnern. An vielen Balkonen, Fenstern und Fassaden prangen deswegen Plakate, mit denen gegen Lärm und unzivilisiertes Verhalten der Gastronomiebesucher protestiert wird. „Ruhe, Respekt, Rücksicht“, steht auf ihnen. Und: „Wir müssen Es Jonquet retten.“

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