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InterviewRapper Cro verrät, weshalb er sein Gesicht versteckt

Lesezeit 9 Minuten
Der Mann mit der Panda-Maske: Cro, der eigentlich Carlo Waibel heißt.

Der Mann mit der Panda-Maske: Cro, der eigentlich Carlo Waibel heißt.

Carlo Waibel  wurde 1990 in Mutlangen in der Nähe von Stuttgart geboren. Sein Pseudonym ist eine Verkürzung seines Vornamens. 2012 schaffte er mit dem Album „Raop“ den Durchbruch. Im Interview mit Silvia Perdoni spricht der Rapper über sein neues Album, seine neue Maske und die Zukunft des Deutsch-Raps.

Als das Video zu Ihrer Single „Baum“ rauskam, gab es Gerüchte, dass Sie kein Panda mehr sein wollen. Darin sieht man Sie ohne Maske, nur ein Hut verbirgt Ihr Gesicht. Mehr noch: Der Cro mit Hut überfährt den Cro mit Maske. Fans sahen darin das Ende Ihres Markenzeichens.

Ne, das ist eher eine Weiterentwicklung. Ein Panda 2.0. Die neue Maske ist ein bisschen reduzierter. Aber ich werde nicht überfahren.

Was wollen Sie dann mit dem Video sagen?

Soll ich das wirklich verraten oder lieber offen lassen für Interpretationen?

Das sollen Sie verraten!

Ok, ich verrate ein bisschen: Der Baum und der Unfall sind Metaphern für etwas Schlechtes. Das kennt jeder: Man fährt auf den Baum zu und weiß, dass man gerade nichts Gutes tut – und trotzdem rast man weiter.

In welchen Situationen geht Ihnen das so?

In jeder Lebenslage! Das kann sein, dass ich mich ungesund ernähre und das auch weiß – aber trotzdem weiter esse, weil es so gut schmeckt. Oder das kann sein, dass ich mich ständig mit dem selben Mädchen treffe, obwohl ich weiß: Das ist nicht gut, das endet doch wieder böse.

Das neue Album heißt „tru.“, es geht viel um Authentizität. Wie viel Carlo steckt in dem Mann mit der Maske?

Carlo ist Cro, aber Cro ist nicht Carlo. Carlo ist noch viel mehr, was die Menschheit gar nicht mitkriegt. Im Hintergrund male ich viel, mache andere Dinge. Eigentlich ist Cro nur eins von vielen Projekten von Carlo.

Was malen Sie?

Alles Mögliche! Mal große Leinwände mit Frauen, meistens Monsterfrauen. Oder mal mit Buntstiften auf Papier, wenn ich unterwegs bin. Manchmal male ich auch einfach in Bücher, über die Schrift rüber. Ich mache auch super viele Fotos, zu Hause habe ich einen Stapel Schuhschachteln voll mit Analogbildern.

Wie verändert die dauerhafte Maskerade Ihren Charakter?

Mit mir macht das nicht viel. Das ist ja gerade, warum ich die Maske trage: Weil ich dadurch im Privatleben bleibe, wer ich bin. Niemand erkennt mich. Ich laufe durch die Welt wie früher, als ich noch nicht berühmt war. Manche finden es erschreckend, wie normal ich im Hintergrund bin.

Wie würden Ihre Freunde Sie charakterisieren?

Gute Frage. Bescheiden. Und höflich. Lustig vielleicht? Und vielleicht super künstlerisch.

Das neue Album klingt tiefer, nachdenklicher. Mehr nach Rap als nach Sommerpop.

Sie sind jetzt 27. Ist Cro erwachsen geworden?

Vor allem ist Carlo erwachsen geworden, und Cro nimmt er mit. Aber ich bin auch immer noch ein Kind, ich liebe Experimente. Das hört man auch auf dem Album. Da ist alles zusammengebastelt, aneinandergeschnitten, herumprobiert. Mit Gitarren, Bässen, Klavieren, Schlagzeugen und Synthesizern. So lange, bis es passte. Und trotzdem wurden die Texte und die Gedanken viel deeper, ich bin auch viel tiefer eingestiegen und habe Dinge hinterleuchtet.

Es geht aber immer noch viel um Liebe, Freunde, Einsamkeit, Abenteuer. Politische Themen sucht man vergebens.

Na ja, da müssen Sie noch mal hinhören. Ich glaube, ich habe es geschafft, die Dinge komplett auseinanderzunehmen und zu hinterfragen. Ich zähle auf, was echt ist und was unecht, was für mich der richtige Weg ist und was der falsche. Wenn man aufmerksam zuhört, hört man am Ende ganz genau meine Meinung durch.

Auf welche Passagen muss ich denn achten?

Hin und wieder kommt ein kleiner Hieb, in fast jedem Song: gegen die Medien, gegen die Welt, gegen unser allgemeines Leben.

Was läuft falsch in den Medien?

Das Traurige ist, dass die Medien nichts dafür können. Das ist ein Kreislauf. Die meisten Menschen interessieren sich eher für die schlechten Nachrichten, nicht für die guten. Und wenn die Medien das nicht bedienen, dann schalten die Zuschauer eben zu einem anderen Kanal um, der die Dinge sendet, die sie hören wollen. Auch ich erwische mich manchmal dabei, wie ich bad news interessanter finde.

Wie verändern soziale Netzwerke das, was wir gemeinhin für die Realität halten?

Viele Leute auf Instagram sind fake. Sie bauen sich ein türkis-blaues Beach-Profil auf – und haben damit Erfolg. Das ist leider genau das, was die Menschen sehen wollen. Andere Profile sind ehrlicher, die sind nicht so geschönt, die finde ich viel cooler. Aber diese Leute bekommen lange nicht so viel Aufmerksamkeit wie die Selbstinszenierer.

Ist das gefährlich? Zum Beispiel, wenn Teenager sich an den vielen schönen Fotos messen und enttäuscht sind, wenn ihre Realität anders aussieht?

Ja! Das Internet lebt den Kids etwas Falsches vor. Diese Menschen, die auf Instagram die Villa und das Boot posten, denen gehört das ja oftmals gar nicht. Ich kenne viele Influencer, Leute mit Hunderttausenden Followern – und die tricksen sich das zusammen. Die stellen sich bloß vor das Boot oder die Villa. Aber die Mädels denken, sie müssten auch so leben, so aussehen, sich so schminken – dabei sind sie gerade einmal 13 Jahre alt. Nicht gut.

Ihre Wurzeln tauchen auf dem neuen Album immer wieder auf. Sie danken vor allem Ihrer Mutter. Wie sind Sie aufgewachsen?

Auf der Ostalb, in der Nähe von Stuttgart. Zusammen mit den Geschwistern meiner Mum waren wir elf Enkel, ich habe einen Bruder und zwei Schwestern. Wir waren immer Indianer, sind alle durch den Wald gerannt, mit Federn im Haar und Pfeil und Bogen. Wir hatten ein Werkzimmer mit Ton, Knete und Farben aller Art, auch damit sind wir umgegangen wie die Wilden. Das war geil, ein bisschen hippiemäßig, sehr frei.

Seitdem Sie zehn Jahre alt sind, nehmen Sie Musik auf, mit 22 gelang Ihnen der Durchbruch. Danach ging es fast nur noch steil nach oben. Was ist, wenn Fans dem neuen, erwachseneren Cro den Rücken zuwenden?

Dann ist das so. Ich sehe aber eigentlich keinen Grund, warum Fans das tun sollten. Ich finde, die Musik ist besser, die Themen sind interessanter. Klar, die Stücke klingen vielleicht nicht immer so sonnig-leicht, das könnte man vermissen.

Wie gut können Sie scheitern?

Das kommt darauf an, wie sehr ich von den Dingen überzeugt bin. Je mehr ich drinstecke und daran glaube, desto weniger juckt es mich komischerweise. Mich regen eher Kleinigkeiten auf, wenn ich bei „Mensch ärgere dich nicht“ verliere oder so. Dann denke ich: Verdammt, das gibt es doch nicht!

Der von Til Schweiger produzierte Cro-Film „Unsere Zeit ist jetzt“ floppte im vergangenen Jahr an den Kinokassen ...

Heutzutage kann man aber Qualität oder gute Dinge nicht mehr am Erfolg messen. Es gibt Musik oder Filme, die sind super krass, haben aber keinen Erfolg. Andererseits sind schlechte Sachen super erfolgreich. Wenn ich mir die Youtube-Rekordzahlen anschaue, kann ich manchmal nur den Kopf schütteln. Was man aber natürlich nicht weiß, ist: Sind das Klicks, die den Song gut finden, oder sind das Klicks, die sagen: Guck mal, der Idiot! Und deswegen: Ja, der Kinofilm war ein Flop in Sachen Verkaufszahlen. Wenn ich noch mal einen Film mache, dann hänge ich mich voll rein. Und ja, dann würde es mich aufregen, wenn er nicht erfolgreicher wäre!

Wovor haben Sie Angst?

Vor Flugzeugen. Weil ich so oft fliege. Ich denke mir, mein Gutes-Karma-Konto muss ja langsam aufgebraucht sein. Am Anfang dachte ich: Ok, jetzt bin ich das zehnte Mal geflogen, das passt ja. Aber mittlerweile bin ich das sechshundertste Mal geflogen und werde abergläubisch. Ich steige immer mit dem rechten Fuß ein, klopfe dreimal an die Außenwand, bevor ich einsteige. Und wenn es losgeht, tippe ich dreimal auf den Vordersitz.

Wie geht es Ihnen dann in der Luft?

Sobald wir oben sind, ist eigentlich alles okay.

Sie haben sich eben bekreuzigt. Sind Sie gläubig?

An irgendwas glaube ich. Das hat aber nichts mit der Kirche zu tun. Oder mit der Bibel, mit Religion oder Geschichten über Schäfchen und brennende Büsche. Der Gott, an den ich glaube, hat keine zwölf Arme und ist auch nicht Sandalenträger. Er ist einfach größer als wir.

Sie meinen jemanden, der dafür sorgt, dass wir nicht einfach verwelken, wenn wir sterben?

Vielleicht. Meine Mum hat als Kind zu mir gemeint, der Tod wäre wie Schlafen ohne Träumen. Dann dachte ich: Okay, dann wird dein Körper halt zersetzt und zu Staub, der herumfliegt, so wie Sternenstaub. Und ein bisschen was davon bleibt auf der Erde. Als Kind dachte ich, Familie und Freunde fühlen dann diese Moleküle, aber das wäre physikalisch ja gar nicht möglich. Die Seele ist allerdings nicht physikalisch erklärbar, vielleicht passiert mit der Seele irgendwas.

Endlichkeit ist auch auf dem neuen Album ein Thema, nicht nur bei dem Autounfall im Video. „Was würde bleiben, wenn ich heute von hier gehe“, rappen Sie. Fürchten Sie den Tod?

Tatsächlich habe ich oft Schreckensbilder im Kopf, wie in den Momenten, wenn das Flugzeug startet. Kennen Sie das? Vor dem Einschlafen, wenn man so daliegt und mit einem heftigen Gedanken wieder hochschreckt? Aber eigentlich, wenn ich nicht gerade am Einschlafen bin, fürchte ich den Tod nicht.

Fürchten Sie sich davor, dass Ihr außergewöhnliches Leben, diese Etappe im Rampenlicht, vorbeigeht?

Ne, ich habe schon viele Phasen in meinem Leben durchgemacht und mich wie Tarzan von einer zur anderen gehangelt. Und es wurde immer besser.

Woran sollen sich die Leute denn irgendwann erinnern, wenn sie an Cro denken?

Die sollen sich denken: Krass, er wusste es von Anfang an.

Was wusste er?

Sag ich nicht. Und er hatte ein schönes Weltbild. Und so, wie er gelebt hat, mit dem, was er vermittelt hat – das war der richtige Weg. Und er war ein krasser Künstler.

Sie sollen mal gesagt haben, Mädchen können nicht rappen...

Nicht so pauschal. Aber ich kenne halt kaum welche.

Wirklich nicht?

Auf Deutsch kaum. Gut, ich habe Ace Tee getroffen, sie ist auch auf dem neuen Album zu hören. Sie ist gut. Dann gibt es noch Unique und SXTN. Das sind die einzigen, die mir gerade einfallen.

Jan Delay hat Sie 2011 auf Facebook als „Die Zukunft des Deutsch-Raps“ bezeichnet. Wen würden Sie heute verlinken?

Immer noch mich.

Sich selbst? Reichlich großes Ego.

Na klar, das braucht man auch! Ich finde, aktuell klingt im deutschen Rap vieles gleich.

Was ist mit Leuten wie Marteria oder KIZ? Deren Songs haben ja durchaus Botschaften.

Ja, die sind cool, die halte ich da raus. Marteria, KIZ, Casper - die stehen auf jeden Fall für etwas. Ich bin für Innovation und Neuerfindungen. Deshalb flehe ich nach da draußen: Macht bitte nicht alle das Gleiche!

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