Interview

Kölns neue Gesundheitsamtsleiterin
„Wir müssen noch präsenter sein“

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Die neue Leiterin des Kölner Gesundheitsamtes: Dr. Margot Denfeld

Die neue Leiterin des Kölner Gesundheitsamtes: Dr. Margot Denfeld

Seit dem 1. April leitet Dr. Margot Denfeld das Kölner Gesundheitsamt am Neumarkt. Ihr erstes Interview gibt sie der Rundschau.

Was hat Sie an der Leitung des Kölner Gesundheitsamtes gereizt?

Das Kölner Gesundheitsamt ist ein ganz besonderes, denn es hat als größtes in Deutschland eine Vorreiterrolle. Vor allem deshalb habe ich mich beworben. Hinzu kommt, dass ich im Weyertal geboren und in der rheinischen Region aufgewachsen bin. Ich wohne im Rhein-Erft-Kreis, nur sieben Kilometer von der Stadtgrenze entfernt. Zudem habe ich an der Universität zu Köln Medizin studiert und das verbindet mich mit Köln. Hier fühle ich mich zu Hause.

Sie waren zuletzt Leiterin des Kreisgesundheitsamtes in Rhein-Erft. Was unterscheidet ein Gesundheitsamt in ländlichen Gebieten zu dem in einer Großstadt wie Köln?

Man hat in Köln sehr viel mehr mit der sozialen Medizin zu tun: zum Beispiel mehr mit der Versorgung von obdachlosen Menschen und Flüchtlingsmedizin, aber auch mit dem Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen in sozialen Brennpunkten. Da gibt es sehr viel Potenzial für neue Entwicklungen. Und wenn wir in Köln etwas entwickeln, dann hat es auch eine größere Strahlkraft als Modellcharakter nicht nur in der Region, sondern in ganz Deutschland. Zudem kommen hier Lehre und Forschung zusammen: An der Medizinischen Fakultät der Uni Köln wurde kürzlich das bundesweit erste Institut für Öffentliches Gesundheitswesen gegründet. Wir arbeiten als Gesundheitsamt eng mit dem Institut zusammen, um die Forschung im öffentlichen Gesundheitsdienst voranzubringen.

Wie profitiert das Gesundheitsamt davon?

Wir wollen Nachwuchs gewinnen. Wir wollen, dass junge Studentinnen und Studenten zu uns kommen und für die sehr basisorientierte Medizin, die wir hier machen, werben. Der öffentliche Gesundheitsdienst ist ein Bereich, der nicht direkt ins Auge fällt, wenn man Medizin studiert, der aber eben auch eine ganz wichtige dritte Säule im Gesundheitswesen ist, neben der ambulanten und der klinischen Versorgung. Ab dem nächsten Jahr sollen Studierende drei bis vier Monate bei uns im Rahmen der praktischen Ausbildung im letzten Studienjahr – im sogenannten praktischen Jahr - die rund 100 Ärztinnen und Ärzte im Gesundheitsamt unterstützen.

Was sind neben dem ärztlichen Nachwuchs Ihre weiteren Schwerpunkte?

Familien und Kinder sind für mich ein besonderer Punkt. Gerade die Übergänge vom Kindergarten in die Grundschule, von der Grundschule in die weiterführenden Schulen muss man gut begleiten. Wenn Kinder und ihre Familien in der seelischen und körperlichen Gesundheit frühzeitig angeleitet werden, dann trägt das für das ganze Leben. Bedarf haben wir in den Bereichen Ernährung und Bewegung, aber auch bei sozialer Kommunikation und Medienkonsum. Nach der Pandemie, so beobachten es meine Kolleginnen und Kollegen, brauchen viele Kinder Unterstützung im sozialen Miteinander, in der Frühförderung und der Sprachentwicklung oder sind schulmüde und besuchen die Schule nur noch unregelmäßig. Wir als Gesundheitsamt müssen das als Netzwerk mit Schulamt und Jugendhilfe jetzt gemeinsam angehen - diese Kontakte möchte ich weiter ausbauen.

Aktuell steht auch der Aufbau der Drogenkonsumräume in Kalk und Mülheim an.

Ein wichtiges Thema, ebenso wie die Verstetigung der Substitutionsbehandlung. Der Drogenkonsumraum in Kalk soll bald starten. Der Drogenkonsumraum in Mülheim ist noch in Prüfung. Auch am Neumarkt, einem besonderen Brennpunkt, wird uns das Thema weiter beschäftigen. Einen steigenden Bedarf sehe ich auch bei den Anonymen Krankenscheinen und der Flüchtlingsmedizin, dabei kooperieren wir auch mit den niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten.

Was soll im Gesundheitsamt noch weiterentwickelt werden?

Wir müssen noch präsenter sein. Die Bevölkerung soll sich eingeladen fühlen, mit allen Belangen zu uns zu kommen. Über unser großes Netzwerk können wir alle Hilfen vermitteln, egal für welche Altersgruppen. In diesem Jahr startet zum Beispiel zum zweiten Mal das Hitzetelefon, das Bürgerinnen und Bürger kostenlos berät. Dahinter steht auch das große Thema der Gesundheitskompetenz. Wer viel über seine eigene Gesundheit weiß, kann selber dementsprechend viel für seine eigene Gesundheit tun. Prävention und Hilfen werden sicherlich auch ein Leitthema in den nächsten Jahren sein, Menschen werden noch mehr digitale Möglichkeiten haben, sich über Gesundheit informieren zu können. Unser Anliegen ist, ihnen zu zeigen, wo man gesicherte Informationen im Netz findet.

Wie bekommen Sie Ihre knapp 400 Mitarbeitenden unter einen Hut?

Ich werde versuchen, in den ersten zwei, drei Monaten jede Mitarbeiterin, jeden Mitarbeiter kennenzulernen. Jeder soll und kann seine Ideen, aber auch seine Sorgen bei mir vorbringen. Ich habe eine offene Tür und ein offenes Ohr.


Zur Person

Dr. Margot Denfeld, 54, folgt im Amt auf Dr. Johannes Nießen. Sie leitete zuletzt das Gesundheitsamt des Rhein-Erft-Kreises. Nach ihrem Medizinstudium 1996 und während ihrer Approbation 1998 an der Universität zu Köln war sie zunächst langjährig in der Anästhesie im Kreiskrankenhaus Dormagen tätig. 2001 promovierte sie. Anfang 2002 bis Ende 2003 arbeitete sie als Ärztliche Referentin der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, später wurde sie Regierungsmedizinalrätin und Dezernentin beim Landesversicherungsamt Essen. 2008 wechselte sie als Regierungsmedizinaldirektorin zum NRW-Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales.

Denfeld ist verheiratet, hat drei erwachsene Söhne und lebt in einem Drei-Generationen-Haus. In ihrer Freizeit spielt sie Kontrabass, Cello und Klavier und ist Mitglied in zwei Orchestern. Ehrenamtlich arbeitet sie in der Rheinisch Bergischen Musik AG, wo Kinder und Jugendliche neben der Musik auch gestalterisch gefördert werden. Seit 18 Jahren ist sie im Vorstand des Heimat- und Kulturvereins in Hürth tätig.

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