„Küssen ist Kommunikation – Sex nicht“Sülzer Professor analysiert eine berührende Art der Kommunikation

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Ein Mann mit umgedrehter Kappe auf dem Kopf steht auf einer belebten Straße.

Hektor Haarkötter hat ein Buch über das Küssen geschrieben.

Der Kuss fasziniert Menschen von jeher. Der Sülzer  Kommunikations-Experte Hektor Haarkötter hat dazu ein Buch geschrieben. Er liest daraus im Freiraum.

Viele Paare kennen das: Beziehungsgespräche sind oft problembeladen und scheitern. Manchmal ist man auch einfach nur sprachlos. Deswegen, so weiß Hektor Haarkötter, greifen sie dann lieber auf non-verbale Kommunikation zurück, wie das Küssen. Natürlich, sagt der Kommunikationswissenschaftler, komme auch eine Umarmung in Betracht, oder eine Ohrfeige, je nach Situation. Aber das Küssen habe einen besonderen Stellenwert. „Dabei hat es nichts mit Sex zu tun“, betont Haarkötter. „Küssen ist Kommunikation. Das ist Sex nicht.“

Haarkötter, der Professor an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg  ist und Kommunikationswissenschaften lehrt, lebt am Asbergplatz in Sülz. Er hat sich intensiv zu dem Thema, warum, wann und in welchen Situationen Menschen per Kuss Botschaften austauschen beschäftigt und ein Buch darüber geschrieben. „Küssen – eine berührende Kommunikationsart“ liefert einen umfassenden Blick auf den Lippen-Kontakt, seine Herkunft, Geschichte, seine sich wandelnde Bedeutung in der Gesellschaft und den unterschiedlichen Kulturen. Der Kommunikationswissenschaftler hat schon viele Bücher geschrieben und hatte schon lange den Plan, sich auch einmal dem Kuss als Form der Kommunikation zu widmen.

Er hat sehr genau dazu geforscht und spricht seinen Leser in seinem Buch persönlich an, mit „Du und ich“, beleuchtet sein Thema dann in 30 Kapiteln auch sehr humorvoll. „Es ist eine deutsche Unsitte“, findet Haarkötter, „zu glauben, je komplizierter und mit Fremdwörtern gespickter ein Text ist, um so anspruchsvoller ist er auch.“ Als Kommunikationsexperte weiß er, wie man Inhalte sprachlich möglichst gut vermittelt und eben auch wie Menschen sich non-verbal verständigen.

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Von Bussi-Bussi-Gesellschaft bis sozialistischer Bruderkuss

„Körperkontakt ist die älteste Kommunikationsart“, sagt Haarkötter. Tiere würden mithilfe ihrer Körper kommunizieren. Der Mensch habe allerdings die Sprache erfunden. „Wir greifen aber auf die Körperkommunikation zurück, wenn wir mit Worten nicht mehr weiterkommen, so auf eine orale statt verbale Botschaft, den Kuss.“

Was sie jeweils ausdrückt, ist so unterschiedlich wie jeder Kuss selbst. Im Buch geht es um Begrüßungs- und Abschiedsrituale, Knutschen, den sozialistischen Bruderkuss, um das Küssen von Gegenständen, die Bussi-Bussi-Gesellschaft sowie Herkunft und Bedeutung aller dieser Kommunikationsformen. „Küssen ist allerdings keine anthropologische Konstante“, führt Haarkötter aus. „Die Mehrheit der Kulturen küssen nicht“

Küsse als romantische oder erotische Botschaft

Er verortet den Kuss in der westlichen Kultur, auf der Nordhalbkugel, Von dort habe er sich mit seiner Herkunftskultur langsam im Rest der Welt breit gemacht. Und zwar nicht in erster Linie als romantische oder erotische Botschaft: „Lange waren Küsse Begrüßungsrituale“, so Haarkötter. Im Altertum hätten sich eher gleichgeschlechtliche Menschen geküsst. Allerdings sorgte die romantische Variante des Kusses für seine Blütezeit, als Filmkuss auf großen Leinwänden. „Der Höhepunkt eines jeden Filmes war es, wenn der Held und die Heldin sich küssen.“

Die Menschen seien in die Kinos geströmt, um sie knutschen zu sehen. Von der katholischen Kirche skandalisiert, heftig diskutiert, war der Filmkuss, das Ereignis, auf das ganze Kinosäle hinfieberten. Mittlerweile ist er in der Mottenkiste gelandet und wird gerne übersprungen: „Jetzt steigen die Protagonisten gleich miteinander in die Kiste“, so Haarkötter. Für das Digitalzeitalter prognostiziert er den Niedergang des Küssens. „Von Monitor zu Monitor kann man nicht küssen“, sagt Haarkötter. Wie solle in der Generation Z, die einen Großteil ihrer Zeit an elektronischen Geräten verbringt, noch Lippe zu Lippe finden?


Hektor Haarkötter liest am Donnerstag, 21. März, um 20 Uhr im Kultursalon Freiraum, Gottesweg 116a, aus seinem Buch „Küssen“. Der Eintritt kostet 12 Euro.

„Küssen – eine berührende Kommunikationsart“ ist im S. Fischer-Verlag erschienen, 288 Seiten, 24 Euro

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