Beliebter SchulsportPädagogin nennt Völkerball „legalisiertes Mobbing“

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Schüler beim Schulsport in einer Sporthalle

Völkerball ist noch immer ein oft gespieltes Spiel, auch in deutschen Schulen.

Köln – Völkerball kennt nun wirklich jeder. Bei vielen Lehrern ist das Spiel beliebt. Doch manche Erwachsenen haben es auch als unangenehm in Erinnerung. Sie dürfen sich jetzt bestätigt fühlen. Denn eine Studie aus Kanada kommt zu dem Ergebnis, dass viele Schüler das Ballspiel als Mobbing empfinden.  Sie wurde kürzlich bei einem Kongress in Vancouver vorgestellt. Davon berichten unter anderem die Washington Post und der Sender CBC.

Völkerball soll Schüler „auf die reale Welt vorbereiten“

Demnach befragte die Bildungswissenschaftlerin Joy Butler mit einem Team Schüler im Alter von 11- bis 14-Jahren, die die „Middle School“ besuchten. In Deutschland also Schüler der Klassen 5 bis 9. Die Forscher wollten wissen, wie diese Völkerball wahrnehmen und sich dabei fühlen. Laut der Pädagogen sei das Mannschaftsspiel bei Lehrern beliebt, weil sie dächten, dass Kinder Spaß an diesem Sport hätten und dass Völkerball Schüler „auf die reale Welt vorbereiten“ würde.

Was die Wissenschaftler aber im Gespräch mit Schülern herausfanden war, dass viele Schüler das Spiel nicht gerne spielten, sich gemobbt fühlten und dass stärkere Schüler das Spiel nutzten, um schwächere Klassenkameraden zu demütigen. Die Erziehungswissenschaftler berichteten sogar, dass es von einigen Schülern als „Unterdrückung“ wahrgenommen wurde. In der Studie geht es allerdings um „Dodgeball". Die nordamerikanische Variante von Völkerball ist noch etwas härter, weil dort mit mehreren Bällen gleichzeitig gespielt wird. 

„Völkerball ist legalisiertes Mobbing“

„Der Sportunterricht sollte eigentlich ein Ort sein, an dem Lehrer den Schülern dabei helfen, ihre Aggressionen zu kontrollieren anstatt sie auszuleben", so Butler in der „Washington Post“. „Die Botschaft des Spiels ist, dass es okay ist, andere zu verletzen.“ Beispielsweise habe ihr eine Schülerin erzählt, dass sie beim Völkerball immer weg und in den hinteren Bereich laufe, um sich vor dem Ball und ihren Mitschülern zu verstecken. „Sie wurde gejagt. Ist verstecken wirklich etwas, das sie im Unterricht lernen soll?“, klagt Butler an.

Gegenüber dem Sender CBC sagte sie sogar: „Völkerball ist legalisiertes Mobbing.“ Schüler lernten dabei eher, ihren Mitschülern aus dem Weg zu gehen statt mit diesen in Kontakt zu treten und dass starke Schüler schwächere mobben und unterdrücken könnten.

Ihr Co-Autor, Pädagogik-Professor Stephen Berg, sagte CBC: „Als ich in der Schule war, nannten unsere Lehrer das Spiel ‚Mörder-Ball‘.“ Als er selbst Lehrer wurde, änderte er seine Einstellung zu dem Spiel: „In der Schule reden wir oft über Werte wie Freundlichkeit, Empathie und Mitgefühl. Im Sportunterricht werfen wir all diese Werte über Bord.“

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Deutsche Schulen entscheiden selbst, welche Spiele im Unterricht gespielt werden

Auch in Deutschland wird nach wie vor Völkerball im Sportunterricht gespielt. Auf Nachfrage heißt es zum Beispiel aus dem Schulministerium in Nordrhein-Westfalen dazu: „Die Kernlehrpläne für den Sportunterricht in den verschiedenen Schulformen geben keine konkreten Spiele vor, sondern beschreiben lediglich verschiedene Bewegungsfelder und Sportbereiche.“ Eines davon wird für die Sekundarstufe I mit „Das Spielen entdecken und Spielräume nutzen“ benannt. Welche Spiele im Unterricht gespielt würden, entschieden die Schulen in eigener Verantwortung, heißt es aus dem Ministerium.

Auch Sportlehrer berichten, dass sie Völkerball im Unterricht spielen würden. Weil das Spiel auch Möglichkeiten für Strategien, Teamarbeit und Regelvarianten biete. Wenn ein Kind im Spiel von anderen gemobbt werden würde, läge das am Lehrer, der nicht interveniert, und nicht am Spiel, sagt zum Beispiel eine Sportlehrerin.

Auch die kanadischen Wissenschaftler wollen das Spiel nicht abschaffen. Sie fordern einen bewussteren Umgang. Butler dazu: „Sportlehrer sollten sich ihren Lehrplan anschauen und für mehr Ausgewogenheit sorgen. Sie könnten möglicherweise auf einige Spiele verzichten und andere Disziplinen wie Outdoor-Aktivitäten, Fitness, Gymnastik oder Wassersport aufzunehmen.“

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