„Zu wichtig für Parteipolitik“Gertrudenhof-Chef fordert überparteiliches Landwirtschaftskonzept

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Diplom-Agrarwirt Peter Zens führt in vierter Generation den Gertrudenhof in Hürth. Er ist Vorsitzender von Food for Biodiversity.

Diplom-Agrarwirt Peter Zens führt in vierter Generation den Gertrudenhof in Hürth. Er ist Vorsitzender von Food for Biodiversity.

Landwirt Peter Zens fordert ein Konzept für Landwirtschaft und Ernährung, das weit über Legislaturen hinaus geht.

Herr Zens, Sie haben nicht an den Bauernprotesten teilgenommen – warum nicht?

Vorab: Ich teile die Einschätzung, dass es nicht so weitergehen kann wie bislang. Vor Landesvertretungen oder dem Brandenburger Tor zu demonstrieren, finde ich richtig und es ist ein Erfolg, dass die Sorgen und Nöte der Landwirte nun in aller Munde sind. Was mir nicht zusagt, sind Straßenblockaden quer durchs Land, denn die verursachen eher neuen Ärger, führen aber nicht zu dem zuhörenden Ohr, das jetzt gebraucht wird.

Ich bin ein Freund davon, dass man sich gemeinsam an einen Tisch setzt und Lösungen erarbeitet. In der letzten Legislaturperiode hat die Borchert-Kommission mit Vertretern aus Landwirtschaft und Umweltschutz viele gute Kompromisse erarbeitet, aber mit dem Regierungswechsel wurde all das Erarbeitete aufgehoben. Solche Richtungswechsel sind es, die die Geduld der Bauern zu lange strapaziert haben: spontane Entscheidungen je nach Parteibuch anstelle der Bereitschaft, sich in die Komplexität landwirtschaftlicher Themen einzudenken.

Sie engagieren sich für Nachhaltigkeit und haben auf dem Erlebnisbauernhof Gertrudenhof jetzt auch einen Umweltbildungsort errichtet. Inwiefern finden Sie die Subventionierung von Agrardiesel berechtigt?

Grundsätzlich ist mit der Subventionspolitik zu lange zu wenig richtig gemacht worden. Viele Maßnahmen förderten Lebensmittelverschwendung, fördern noch immer Fläche und Menge. Sie kommen dabei aber nicht der kleinen und mittelständischen Landwirtschaft zugute, sondern großen Betrieben wie zum Beispiel RWE mit enormen Flächen, wo eventuell gar keine Landwirtschaft stattfindet, sondern stillliegende Flächen subventioniert werden. Genau das möchte der Verbraucher nicht.

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Es stimmt, dass die Förderung fossiler Energie nicht zukunftsfähig ist. Man kann die fossilen Energien aber auch nicht einfach abschaffen, ohne andere Ideen zu haben, wie insbesondere die Familienbetriebe zukünftig auskömmlich Landwirtschaft betreiben. E-Mobilität ist zum jetzigen Stand keine Option für Traktoren, die im Sommer zehn bis 14 Stunden am Tag laufen müssen. Hinzu kommt: Durch unsere hohen Löhne, Sozialstandards und Umweltauflagen ist die deutsche Landwirtschaft ja nicht international wettbewerbsfähig. Man möchte sichere, regionale Lebensmittel, Landschaftsschutz und Familienbetriebe – das funktioniert zum Welthandelspreis nicht ohne Subventionen. Wenn man beim Agrardiesel einsparen möchte, sehe ich als einzigen gangbaren Weg, die Subventionen abhängig von einer bestimmten Hofgröße zu senken, aber einen Sockelbetrag zu erhalten.

Kritische Stimmen bezweifeln angesichts der Lebensmittelpreise, die in den vergangenen drei Jahren erheblich gestiegen sind, die finanziellen Sorgen der Landwirte.

Es sind zwar nach Corona die Preise gestiegen und die Deckungsbeiträge höher geworden, richtig. Nach einer durchschnittlichen Rechnung hat der durchschnittliche Betrieb auf einmal ein ordentliches Einkommen. Aber genau dieser Durchschnitt bildet eben eines nicht ab: Sehr, sehr vielen kleinen und mittelständischen Betrieben steht das Wasser bis zum Hals. Die traditionelle Landwirtschaft ist ohne Subventionen nicht mehr existenzfähig. Es geht nicht darum, Bauern Geld zu bezahlen, damit es ihnen gut geht, sondern darum, die deutsche Landwirtschaft dahin zu bringen, dass sie preislich wettbewerbsfähig bleibt mit Artikeln, die auf dem Weltmarkt unter anderen Standards produziert worden sind.

Sie sind Vorsitzender von Food for Biodiversity, einem Zusammenschluss von Lebensmitteleinzelhandel, Unternehmen und NGOs. Um welches Ziel geht es dabei?

Bei uns kommen alle Beteiligten für die Entwicklung gemeinsamer Lösungen zusammen. Wir wollen, dass Lebensmittel in den Markt gelangen, die Biodiversität nicht gefährden, sondern fördern. Das kann niemand besser miterarbeiten als NGOs wie der Global Nature Fund, die Bodensee-Stiftung, der WWF, die alle Mitglied bei uns sind und ihre Expertise in das Gespräch mit Unternehmen und Lebensmitteleinzelhandel mitbringen. Insofern ist es eine wirklich spannende NGO, die im kleineren Rahmen umsetzt, was wir auch auf politischer Ebene brauchen würden – zumal Biodiversität einer der entscheidenden Kipppunkte ist und die oft mit vielfältigen Fruchtfolgen arbeitenden kleineren Betriebe sie wesentlich besser umsetzen als die oft auf Monokulturen spezialisierten Agrarfabriken.

Wie lässt sich dieser Ansatz auf die Politik übertragen?

Bevor man Maßnahmen entscheidet, sollte man sich fragen: Wie soll die Landwirtschaft der Zukunft aussehen, was erwarten wir von ihr? Dann muss man sich aber auch festlegen und diese Zukunftsvision für lange Zeit verbindlich machen. Drei Jahre in eine Richtung, dann drei Jahre in eine andere: Das funktioniert nicht in der Landwirtschaft. Nicht nur, weil viele Investitionen über Jahrzehnte kalkuliert werden müssen. Auch der Aufbau von Sonderkulturen braucht Jahre.

Ich halte es für wichtig, eine überparteiliche Kommission zu bilden, damit über die Legislaturperioden hinaus Stabilität gewährleistet ist. Bei so einem wichtigen Thema wie Ernährung darf es nicht um Parteipolitik gehen. Man muss sich auf eine gemeinsame Zukunftsplanung festlegen – und die dann im Idealfall in Kriterien für Gemeinschaftsverpflegung festschreiben, weil Kitas, Schulen, Krankenhäuser und Altenheime mit ihren Ausschreibungen großen Einfluss auf die Beschaffung haben: Darin steckt das größte Transformationspotenzial für die Landwirtschaft. So kann man eine Systemumstellung schaffen, denn wenn man Bedarf erzeugt, werden Landwirte entsprechend produzieren.


Familienbetrieb mit Gemüseanbau

In vierter Generation führt Peter Zens den Gertrudenhof in Hürth, dessen rund hundert Hektar Land er in Kooperation mit zwei Partnerbetrieben bewirtschaftet. Rund 40 Kulturen werden dort angebaut, darunter zahlreiche heimische Gemüse, außerdem Kartoffeln und Tulpen, die im Hofladen verkauft werden. Der Diplom-Agrarwirt ist Vorsitzender von Food for Biodiversity und Vorstandsmitglied von Biodiversity in Good Company. Auch im Ernährungsrat und Klimarat der Stadt Köln war er aktiv.

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