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Veedels-CheckEnsen – Ungewöhnlich hoch über dem Rhein

Lesezeit 8 Minuten
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Das Dorf ist recht idyllisch.

Ensen – Hält man im Jahr 2018 zusammen in den Veedeln? Gibt es sie noch, die typisch kölschen Veedel? Mehr als 30.000 Kölner haben sich an unserer nicht repräsentativen Umfrage beteiligt und Noten für Ihre Stadtteile verteilt. Alle 14 Tage veröffentlichen wir die Ergebnisse von fünf weiteren Veedeln.

Die Ergebnisse zu den bislang veröffentlichten Stadtteilen mit Bewertungen zu den Themen Verkehr, Einkaufen, Sicherheit und vielem mehr finden Sie hier.

Ensen – das Porträt

Ensen? Ist das nicht eines dieser typischen Dörfer in der Großstadt? Eine dieser Oasen der Ruhe am Rande? Deren Bewohner sich zwar schon mit der Metropole – in diesem Fall immerhin Köln am Rhein – identifizieren, aber auch ihre besondere Kultur und Zusammengehörigkeit haben? Und ja, so ist Ensen auch. Und doch ist das Veedel speziell. Es gehörte zur ehemaligen Stadt Porz, 1975 nach Köln eingemeindet, seitdem Stadtbezirk 7.

Alles zum Thema Kölner Verkehrs-Betriebe

Die Porzer haben sich damit abgefunden, aber eigen sind sie geblieben, und die Ensener ganz gewiss. „Viele von uns sagen noch: »Ich fahre nach Köln«, wenn wir in die Innenstadt wollen oder in angesagte Veedel wie Ehrenfeld“, schildert Heike Reiferscheid, 1. Vorsitzende der Bürgervereinigung Ensen-Westhoven. Doch sagt man auch: „Ich fahre nach Porz“, wenn man das – allerdings verkümmerte – Zentrum des Stadtbezirks 7 zum Ziel hat. Köln, Porz, alles schön und gut – doch Ensener scheinen gern einfach auch Ensen-Westhovener zu sein. Vielleicht ist es die Lage des Doppelortes am nördlichen Rand des Bezirks 7, kurz vor Poll und Kölns City, die zu einem gewissen Gefühl von Unabhängigkeit führt.

Zumal Ensen für viele ein Traumziel ist. Ins Veedel strömen täglich Menschen aus allen Himmelsrichtungen und von weit her. Hinter dem schlossähnlichen Kloster an der Kölner Straße liegt ein Paradies für Naturfreunde. Die Ordensgemeinschaft der Alexianerbrüder betreut im Kloster Ensen seit gut 100 Jahren psychisch kranke, geistig behinderte, ältere und pflegebedürftige Menschen. Seit fast 25 Jahren betreibt der Orden auch eine Gärtnerei. Auf 2.000 Quadratmetern Gewächshausfläche und 10.000 Quadratmetern Freiland produzieren 50 fest angestellte Mitarbeiter und 160 behinderte Menschen beinahe alles, was die Natur hergibt.

Eine Spezialität und vermutlich Kölner Rekord ist die Vielzahl an Heilpflanzen und Kräutern. Rund 100 sind vorrätig, von der Artemisia (schon von den alten Griechen gegen Frauenleiden angewandt) bis zum Zitronenthymian (gegen Erkältung). Hinzu kommt ein weithin geschätztes kulinarisches Angebot. „Hier verbringe ich zuweilen einen ganzen Tag, es ist wie Urlaub“, sagt Carola Anderson, die aus dem Raum Aachen angereist ist. Rund um den Kölner Dom mögen vielleicht ebenso viele Menschen anzutreffen sein – doch dort ist die Atmosphäre nicht so entspannt und freundlich wie in der Ensener Klostergärtnerei. Das machen der Zauber der Natur und vielleicht auch die unaufdringlich fürsorgliche Art der Alexianer-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Keine großen Verkehrsprobleme

Nicht, dass alles perfekt wäre im Veedel, schränkt Jörg Pfennig, Archivar der Bürgervereinigung, ein. So könne Ensen, das Einkaufszentrum von Ensen-Westhoven, durchaus noch ein paar Geschäfte mehr gebrauchen. Und vor allem ein größeres Café am Marktplatz, das mit Außengastronomie die meist triste Fläche beleben würde. Letzterer Wunsch könnte bald wahr werden. Der nahe Supermarkt und die Stadt arbeiten daran. Zwar muss dafür eine Straße, der Elsterweg, umgeleitet werden. „Aber das wird dem Viertel nicht schaden“, ist sich Pfennig sicher.

Denn Ensen ist noch aus einem weiteren Grund ein ungewöhnliches Veedel – die ganz großen Verkehrsprobleme gibt es bislang nicht. Während der große Rest von Porz und viele weitere Kölner Stadtteile über ständiges Stauchaos klagen, bleibt Ensen vergleichsweise verschont. Die Hauptverkehrsader Kölner Straße wurde hinter dem Porzer Zentrum großzügig ausgebaut und bleibt zweispurig bis zur nördlichen Grenze zu Poll.

Taugt Ensen gar als Vorbild-Veedel für den Verkehr der Zukunft? Verkehrsstrategisch hat es weitere Vorteile (ein Nachteil: siehe „Baustellen“) – die KVB-Linie 7 führt samt zwei Haltestellen mittendurch, drei Autobahnen (A3, A4, A59) sind in wenigen Minuten erreichbar, ohne dass man sie hört. „Alles in allem sind die Ensener privilegiert“, findet Heike Reiferscheid. Dazu passt, dass Historiker glauben, der Name Ensen komme von Insel. Tatsächlich liegt der Ort ungewöhnlich hoch über dem Rhein und ist, anders als Westhoven, von Hochwasser größtenteils verschont geblieben. Obendrein gibt es einen herrlichen Blick auf den Strom, etwa da wo die Einkaufsmeile Gilgaustraße und die ruhige Oberstraße zusammentreffen. Oder besser gesagt, den könnte es geben – bis auf einen Spalt ist der Genuss des Panoramas durch Grünbewuchs versperrt. Zwar hat die Stadt Bänke auf dem öffentlichen Gelände aufgestellt, aber von dort schaut man nur ins Strauchwerk.

Schickes Fachwerk an der Hohe Straße

Richtig gut auf den Rhein sehen kann man aus den Häusern an der schmucken Hohe Straße. Sie war einst die Einkaufsstraße des Dorfs, mit allein vier Friseuren, vier Schusterläden, drei Bäckereien und zwei Metzgereien. Davon ist kaum noch etwas übrig. Dafür sind die Häuser – darunter schickes Fachwerk – aufwendig renoviert worden. Malerisch ist die Straße, ein Sehnsuchtsort für manchen Ensener – allerdings ist das Wohnen dort nach der Aufhübschung auch ein bisschen teurer.

Anwohner ohne schöne Aussicht auf den Rhein im westlichen Ensen können ihn immerhin hören. Das Tuckern der Schiffe gehört zum Lebensgefühl – wie auf der östlichen Seite ein fast ständiges Rumsen und Quietschen. Der Güterzug-Rangierbahnhof Gremberg, einer der größten Deutschlands, grenzt ans Viertel. „Man gewöhnt sich, es ist wie mitten in der Großstadt“, sagt Nachbarin Olga Hellwig, Wo immer man lebt in Ensen – es liegt was in der Luft. Typisch für das Viertel ist aber noch etwas anderes. Ensener können besonders gut Integration. Seit langem leben sie mit den Menschen aus dem Alexianer-Krankenhaus, errichtet zwischen 1905 und 1908. Viele der psychisch erkrankten Patienten sind auf den Straßen zu sehen. Damit sie möglichst selbstständig bleiben. „Sie gehören dazu“, sagt Heike Reiferscheid. Wer in Ensen aufwächst, kennt es nicht anders. Es gibt sogar lockere Patenschaften. Mancher Ensener aus den Alexianer-Einrichtungen wird von den anderen Ensenern mit Dingen des Lebens versorgt, für die das Geld nicht reicht, Süßigkeiten oder Zigaretten. Im Gegenzug gibt es oft interessante Gespräche.

Kölner aus anderen Veedeln machen sich gern lustig über die Ensener, wegen des Krankenhauses. Einen echten Ensener kümmert das nicht. Vor ein paar Jahren hatte der Chefarzt des Alexianer-Krankenhauses, Manfred Lütz, Erfolg mit seinem Buch „Irre! Wir behandeln die Falschen: Unser Problem sind die Normalen.“ Darin schildert er, wie bereichernd Menschen mit psychischen Erkrankungen sein können. Die Ensener zwischen Rheinfeld und beschaulichem Erkerstraßenviertel im Süden, der Kirche St. Laurentius im Westen und den Vogel- und Mädchennamen-Vierteln im Norden und Osten wussten auch dieses Privileg schon lange vorher zu schätzen.  

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Geschichte des Veedels

Zum Namen des Stadtteils gibt es zwei Theorien. Er leite sich vom Wort Insel ab, sagen die einen. Andere glauben, Ensen sei keltischen Ursprungs und bedeute „fließendes Wasser“. Erstmals erwähnt wird Ensen in einem Mirakelbuch des Heiligen Anno II. (1010 -1075).

Seit dem Jahr 1773 ist das Dorf eine selbstständige Pfarrgemeinde, die zum Ende des 18. Jahrhunderts 160 Einwohner zählte. Politisch gehörte Ensen seit dem Mittelalter zum Amt Porz im Herzogtum Berg. Im Jahr 1795 besetzten die französischen Revolutionstruppen das Dorf. Seit 1929 gehörte Ensen zum Amt Porz, von 1951 bis zur Eingemeindung 1975 zur Stadt Porz. Die katholische Pfarrkirche St. Laurentius nahe der Kölner Straße wurde zwischen 1894 und 1896 mit einer neugotischen, dreischiffigen Stufenhalle errichtet. Die städtische Gemeinschaftsgrundschule an der Hohe Straße mit derzeit mehr als 400 Schülern wurde vor rund 120 Jahren gebaut und nach und nach erweitert.

Baustellen im Veedel

Die ganz großen Verkehrsprobleme kennt man in Ensen zwar nicht. Allerdings ist die für Autofahrer großzügig auf jeweils zwei Spuren ausgebaute Kölner Straße für Radfahrer gefährlich. Vor allem zwischen Gremberghovener Straße und Berliner Straße in Richtung Köln und in der Gegenrichtung von der Berliner bis zur Moselstraße. „Dort gibt es keine Radwege und die Bürgersteige sind meist zugeparkt und nicht befahrbar“, berichtet Jörg Pfennig vom Bürgerverein Ensen-Westhoven. Die Radler müssen entweder den verbleibenden Rest vom Bürgersteig nutzen und kommen Passanten in die Quere – oder sie weichen auf die Fahrbahn aus. Es gab bereits einen tödlichen Unfall zu beklagen.

Seit vielen Jahren schon ist auch die Ensener „Schmutzmeile“ ein Ärgernis. Das ist der Fußweg von der Elisenstraße in Höhe der KVB-Schranken hin zur Haltestelle der Kölner Verkehrs-Betriebe an der Gilgaustraße in Richtung Köln. Der Weg ist ohnehin schon nicht einladend – wie ein enger Schlauch zieht er sich für die Fußgänger und Radfahrer, die östlich der Elisenstraße wohnen und zur Straßenbahn oder ins Ensener Zentrum zum Einkaufen wollen. „Es ist hier offensichtlich niemand für die Sauberhaltung zuständig – weder die KVB, die nur die Haltestelle reinigt, noch die Abfallwirtschaftsbetriebe“, weiß Jörg Pfennig zu berichten. „Wie zu erfahren war, hat die AWB keinen Auftrag dafür.“   

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