Vergewaltiger wird wieder straffälligDer befürchtete Rückfall

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Rückfall

Der Vergewaltiger aus der Linie 1: Im Jahr 2006 hatte sich Werner F. (l.) in der Straßenbahn seine Opfer gesucht.

Köln – Die Freiheit von Werner F., inzwischen 41 Jahre alt, währt gerade mal 63 Tage. Am 12. April öffnen sich für den verurteilten Vergewaltiger nach zwölf Jahren Haft die Tore der Justizvollzugsanstalt in Aachen. Keinen Tag früher als im Urteil festgelegt. Seit Dienstag sitzt er wieder im Gefängnis. An Fronleichnam soll er eine Frau (23) in Lindenthal angegriffen haben, zwei Tage später eine Frau (20) in der Südstadt. Im Haftbefehl wird ihm versuchte Vergewaltigung in zwei Fällen vorgeworfen.

Besuche von Polizei und Bewährungshelfer

Dies ist die Geschichte eines notorischen Sexualstraftäters, der quasi mit Ansage rückfällig wird. Im Gefängnis verweigert er eine Therapie, zwölf Jahre lang erhält er keinen Tag betreuten Freigang. Nach seiner Entlassung wird er in das Projekt „Kurs“ aufgenommen, die Abkürzung steht für „Konzeption zum Umgang mit rückfallgefährdeten Sexualstraftätern“, seit 2010 gibt es dies in Nordrhein-Westfalen. In der dreistufigen Bewertungsskala gilt Werner F. als A-Probant. Höchste Rückfallgefährdung.

Chronologie

12. April: Werner F. wird aus der JVA Aachen entlassen.

17. April: Ein Bewährungshelfer stellt sich bei dem Mann vor.

25. April: Im Präsidium fertigt die Polizei neue Fotos und Fingerabdrücke des Straftäters an.

26. April: Die Ermittler treffen sich zu einer „Fallkonferenz“.

11. Mai: Erneut erhält F. Besuch von einem Bewährungshelfer.

25. Mai: Werner F. erhält zu Hause eine Gefährderansprache der Polizei.

31. Mai und 2. Juni: Versuchte Vergewaltigungen in Lindenthal und der Südstadt.

12. Juni: Hausdurchsuchung und Festnahme des Verdächtigen. (tho)

Fragwürdige Berühmtheit erlangt der einstige Zeitsoldat als „Sextäter aus der Linie 1“. Anfang 2006 vergewaltigt er in kurzem Abstand drei Frauen nahe der Haltestelle „Lustheide“ in Bergisch Gladbach, im Jahr 2001 vergeht er sich an einem zwölfjährigen Mädchen. „Was Sie da angestellt haben, ist so furchtbar und widerlich, dass es einem den Atem verschlägt“, bemerkt Richter Wolfgang Hansel bei der Verurteilung des Vergewaltigers im Januar 2007. Eines seiner damaligen Opfer wird durch die Vergewaltigung schwanger und durchleidet eine Abtreibung.

Nach seiner Haftentlassung zieht es Werner F. zurück nach Hause. Er zieht wieder bei seinen Eltern ein, die im Rechtsrheinischen leben. Bereits am fünften Tag in Freiheit stellt sich ein Bewährungshelfer bei ihm vor. Eine Woche später bittet ihn die Polizei zur erkennungsdienstlichen Behandlung ins Präsidium (siehe Kasten). „Nach der Verbüßung der Freiheitsstrafe greifen präventive Prozesse“, erklärt Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer. Gerne hätten die Ermittler dem Sexualstraftäter eine frische DNA-Probe entnommen. „Dies hat er abgelehnt“, berichtet Andreas Koch, stellvertretender Kripo-Chef der Kölner Polizei.

Am 31. Mai gegen vier Uhr morgens schlägt Werner F. offenbar wieder zu. In der Herbert-Lewin-Straße passt ein Täter eine junge Frau ab, die sich auf dem Heimweg befindet. Von hinten schleicht er sich an sie heran, presst ihr die Hand auf den Mund und versucht sie auf den Boden zu drücken. Die Frau schreit um Hilfe, Anwohner werden aufmerksam, der Täter. flieht. „Der Modus operandi und die Täterbeschreibung kamen uns bekannt vor, das Opfer erkannte den Mann auf einem Foto aber nicht wieder“, sagt Koch.

Hätten die erneuten Straftaten verhindert werden können?

Werner F. bleibt auf freiem Fuß. Am 2. Juni, einem Samstag, ereignet sich der zweite Fall. Um 4.15 Uhr steigt eine 20-Jährige am Barbarossaplatz aus der Linie 16. Als sie wenig später durch die Kaesenstraße geht, wird sie von hinten gepackt. Der Täter, dunkel gekleidet, drückt ihr den Mund zu. Auch sie kann um Hilfe schreien und den Angreifer vertreiben. „Die Gesamtumstände sprechen dafür, dass der Täter beide Frauen vergewaltigen wollte“, urteilt Koch. Nun fährt die Polizei ihre Überwachungsmaschinerie hoch. Werner F. wird rund um die Uhr observiert. „Wir wussten bereits, dass er zu beiden Tatzeitpunkten nicht zu Hause war“, schildert Koch die Ermittlungsarbeit.

Am 12. Juni erhält die Polizei schließlich einen Durchsuchungsbeschluss für die Wohnung von Werner F. „Wir haben Beweismittel gefunden, darunter DNA mit Bezug zum Tatort“, berichtet Koch. Die Ermittler stellen Kleidungsstücke sicher, die der Vergewaltiger offenbar bei den Taten getragen hat. Der Mann wird vorläufig festgenommen, dann ergeht Haftbefehl.

Bleibt die Frage, ob die beiden erneuten Straftaten hätten verhindert werden können? „Wir haben getan, was rechtlich und personell möglich war“, sagt Koch.

Nun werden sich die Gefängnistore für Werner F. wohl lange nicht mehr öffnen. „Wir werden die Voraussetzungen für eine Sicherungsverwahrung zu prüfen haben“, sagt Bremer. Ohnehin drohen ihm bei einer erneuten Verurteilung bis zu 15 Jahre Haft.

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