Zu scharfe AutomatikbremseKölns neue Rettungswagen stehen nutzlos herum

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Alltag in der Innenstadt: Wie hier auf der Nord-Süd-Fahrt schlängeln sich Rettungswagen mehrmals am Tag zügig zwischen Autos hindurch.

Alltag in der Innenstadt: Wie hier auf der Nord-Süd-Fahrt schlängeln sich Rettungswagen mehrmals am Tag zügig zwischen Autos hindurch.

Köln – Die neuen Kölner Rettungswagen bereiten der Stadt ein dickes Problem. Sie sind die ersten mit vollautomatischem Bremsassistenten. Die Automatik, die das Auffahren auf ein stehendes, querfahrendes, oder vor das Auto laufendes Hindernis abwenden soll, ist aber offenbar zu gründlich.

Eine eilige Fahrt durch den Großstadtverkehr ohne Vollbremsung scheint derzeit nicht möglich zu sein. So wurden die ersten beiden Wagen, die als Ersatzfahrzeuge in den Alltag geschickt worden waren, gleich wieder aus dem Betrieb genommen.

Die Technik entscheidet ganz alleine, wann eine Vollbremsung notwendig ist. So überraschte der Bremsassistent die Besatzung während der Jungfernfahrt direkt bei der ersten Gelegenheit mit solch einer Vollbremsung. Mit quietschenden Reifen, trötendem Martinshorn und zuckendem Blaulicht kam der Einsatzwagen abrupt zum Halten. Die Besatzung war perplex, denn sie sah für die vom System ausgelöste Bremsung überhaupt keinen Grund.

Neue Rettungswagen

52 Rettungswagen hat die Feuerwehr für den sogenannten Grundbedarf. Das sind die Fahrzeuge, die rund um die Uhr auf den Wachen stehen, mit fester Besatzung. Elf weitere Rettungswagen ohne Besatzung stehen in Reserve.

Zehn Autos wurden gerade gekauft, um alte Wagen zu ersetzen. Einzelpreis: 204 000 Euro. 42 000 Euro davon entfallen auf die Beladung mit medizinischem Gerät und Medikamenten.

Kollegen reklamierten das Verhalten des Bremsassistenten, und seitdem stehen alle zehn brandneuen Mercedes Sprinter mit dem Notbremssystem wieder auf dem Hof der Feuerwehrzentrale an der Scheibenstraße. In den Einsatz können die bockenden Gefährte ohne weitere Maßnahmen nicht.

Feuerwehr weist Pannen-Gerüchte zurück

„Das ist aber keine Ausschreibungspanne“, versichert Feuerwehr-Sprecher Ulrich Laschet. Es gebe solche Fahrzeuge eben nur noch mit Notbremssystem. Die EU-Verordnung dazu gelte für alle Transporter und mache bei Einsatzfahrzeugen keine Ausnahme. Zunächst soll der konkrete Fall noch genauer untersucht werden, in dem der Bremsassistent auslöste.

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Eventuell sei das System „zu scharf“ eingestellt gewesen, deutete Laschet als Möglichkeit an. Darum geht die Feuerwehr davon aus, dass sie das Problem mit einer umfangreichen Einweisung der Fahrer in die neue Fahrzeuggeneration in den Griff bekommen könnte. Die Feuerwehr-Fahrschule soll sich darum kümmern. Das heißt: Alle Fahrer müssten noch mal in die Fahrschule.

„Einfach abstellen“ will die Feuerwehr den Notbremsassistenten auf keinen Fall. „Das System ist vorgeschrieben. Wir könnten die Software zwar umprogrammieren, aber im Falle eines Unfalls würde uns ein Gutachter das sofort um die Ohren hauen“, sagte Laschet. Und eine Vollbremsung sei letztlich besser als ein Unfall. Die Untersuchung muss nun zeigen, ob das System nicht doch übervorsichtig ist. Dann würde grundsätzlich keine schnelle Fahrt durch eine Rettungsgasse, kein Durchschlängeln zwischen geparkten Autos oder schnelles Heranfahren an den Vordermann im Stadtverkehr mehr möglich sein. Und eine Vollbremsung mit Patient an Bord, kann besonders unangenehme Folgen haben. Mehr als 150 000 Mal im Jahr wird ein Rettungswagen alarmiert. 2017 – so die aktuellste Zahl – waren es 153 571. „Erfahrungsgemäß steigt die Zahl jährlich um drei Prozent“, sagt Laschet.

Der Hersteller kennt „bislang keine ähnliche Reklamation von einer Berufsfeuerwehr oder einem Rettungsdienst“, wie Daimler-Sprecher Peter Feneberg der Rundschau mitteilte. Seit Juni 2018 sei der neue Sprinter mit dem „Aktive Brems-Assistent“ am Markt, das System warne erst visuell, dann akustisch und schließlich bremse es, wenn der Fahrer nicht reagiere.

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