Missbrauch in 79 FällenProzess in Mönchengladbach offenbart unerträgliche Details

Lesezeit 3 Minuten
Neuer Inhalt

Im Rollstuhl wird einer der beiden Angeklagten in den Gerichtssaal des Landgerichts geschoben.

  • Es ist das landesweit erste Verfahren im sogenannten „Missbrauchskomplex Bergisch Gladbach“ .

Mönchengladbach – Mehr als eine Stunde dauert es, bis eine Vertreterin der Staatsanwaltschaft die einzelnen Anklagepunkte gegen zwei 39-jährige Männer aus Krefeld und Viersen vorgetragen hat. Viele der Details sind kaum zu ertragen – und geben einen Eindruck vom Leid der Opfer wieder.

Währenddessen schauen die beiden Angeklagten zu Boden und zeigen keine Gefühlsregung. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen sexuellen Missbrauch von Kindern und Schutzbefohlenen in 79 Fällen vor, manche Taten sollen sie gemeinsam begangen haben. Den Missbrauch sollen sie gefilmt und Bilder und Videos verbreitet haben. Mit diesem Prozess hat vor der ersten großen Jugendkammer des Landgerichts Mönchengladbach das landesweit erste Verfahren im sogenannten „Missbrauchskomplex Bergisch Gladbach“ begonnen. Vor Verlesung der Anklage beantragt ein Verteidiger den Ausschluss der Öffentlichkeit. Nach kurzer Beratung lehnt die Kammer dies ab.

Von den Eltern anvertraut

Der Angeklagte aus Viersen soll seit 2015 seine damals sieben Jahre alte Nichte schwer missbraucht haben, manchmal im Beisein ihres kleinen Bruders. Beide Kinder seien dem Mann von den Eltern zur Betreuung anvertraut worden und hätten sich regelmäßig und über mehrere Tage in der Wohnung des Angeklagten in Viersen aufgehalten.

Der Mann aus Krefeld ist Vater einer heute elfjährigen Tochter und lebt von der Mutter getrennt. Ihm wird vorgeworfen, die Aufenthalte seiner Tochter seit 2016 dazu genutzt zu haben, sich in seiner Wohnung regelmäßig und in teils schwerwiegender Weise sexuell an dem Kind zu vergehen. Anfang 2017 sollen sich die beiden Angeklagten in einem Pädophilen-Internetforum kennengelernt und über ihre Interessen und Erfahrungen ausgetauscht haben. Der Krefelder soll dort gezielt nach Nutzern gesucht haben, die seine „pädosexuellen Inzestpräferenzen“ teilen.

Zum gemeinsamen Missbrauch verabredet

Seit einem ersten Treffen in Viersen kurz nach dem Kennenlernen im Internet sollen sich die beiden Männer laut Anklage dann wiederholt zum gemeinsamen sexuellen Missbrauch der beiden Mädchen verabredet haben. Dabei sollen sie sich teils gemeinsam, teils in Anwesenheit des anderen an den Kindern vergangen haben. Beide Männer fertigten von ihren Übergriffen Fotos und Videos an, tauschten sie untereinander, aber auch mit anderen Männern in Chats oder via Facebook aus.

Bei dem Krefelder wurden mehr als 10.000 Videos und rund 20.000 Fotos sichergestellt, bei dem Viersener knapp 4000 Bilder und 300 Videos. Laut Staatsanwaltschaft soll mit einem gesondert gerichtlich verfolgten Angeklagten auch ein Austausch von Kindern geplant gewesen sein. Die Männer boten sich in Chats gegenseitig ihre Töchter an, planten einen gemeinsamen einwöchigen Winterurlaub.

Das könnte Sie auch interessieren:

Dieser Plan sei jedoch wohl nicht umgesetzt worden. Laut Anklage habe der lang andauernde sexuelle Missbrauch einen „festen Bestandteil“ im Alltag der Mädchen gebildet. „Die Angeklagten haben ein auf Belohnung und Gewöhnung ausgerichtetes System etabliert“, sagte die Staatsanwältin. Die Kinder hätten regelmäßig Geldzuwendungen und andere Geschenke erhalten, um sie gefügig zu machen.

Die frühere Frau des Krefelders nimmt als Nebenklägerin am Prozess teil. Insgesamt sind 20 Verhandlungstage geplant, weiter geht es am 14. Mai. Ob ihre Mandanten sich dann zu den Vorwürfen äußern werden, ließen die Verteidiger an diesem ersten Prozesstag offen. Das Urteil wird voraussichtlich im September erwartet.

Rundschau abonnieren